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EINsamer-wANDERER's avatar
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Unsterblichkeit bedeutet, mehr als einmal zu sterben ohne die Schwelle des Todes jemals zu überschreiten.
Der von Krähen umkreiste Turm erhob sich als dunkler Umriss in dem von Wolkenverhangenen Himmel.
Der Held ritt mit seinem müden Reittier den Trampelpfad hinunter ins bewaldete Tal.
Wann würde dieser Fluch nur endlich aufgehoben werden? Wann würde diese endlose Pein bloß enden? Und war sie das wirklich? Endlos?
Im Turm war seine von ihm angebetete Prinzessin. Seine große Liebe. Aber sie war mehr als nur eine Meid in Nöten. Sie war die letzte Hoffnung dieser sterbenden Welt.
Es waren düstere Zeiten. Tod, Wahnsinn und endlose Verzweiflung zogen über das Land wie ein Sturm. Die Magie – jene mystische Kraft des Lebens die in allen Dingen schlummerte – neigte sich dem Ende. Gierige Menschen hatten sie sich einverleibt und waren unendlich mächtig geworden, während die hartarbeitende Bevölkerung von Krankheit und Elend heimgesucht wurde. Sollte dies so weitergehen, würde die Welt wie sie war, durch die Gier weniger zu Staub zerbröckeln.
Einzig die Macht der eingesperrten Prinzessin konnte für eine Umverteilung der Magie sorgen. Sie würde aus den Mächtigen wieder normale Menschen und aus den Armen wieder lebenstüchtige Arbeiter machen.
Einzig ein Ritter – der Held – konnte das Blatt jetzt noch wenden. Er war der Einzige der sie noch retten konnte. Alle Ritter des Reiches waren losgezogen sie zu retten. Jeder andere war gescheitert, gefoltert und gestorben. Nur die Gabe des Helden – sein Fluch verlieh ihm die Macht trotz allem diese Aufgabe zu meistern, während die anderen zum Scheitern verurteilt waren.
Dem Helden trieb aber nicht die Tugend der Selbstlosigkeit an, sondern vielmehr sein flammendes Herz der Liebe, welches sich nach dem süßlichen Duft der Meid verzehrte, von dem er sich einbildete ihn sogar auf diese meilenweite Entfernung zu riechen.
Wie er sie damals in seiner Jugend als schüchterner Knappe aus der Entfernung angehimmelt hatte. Er hatte ihr heimlich Liebesgedichte geschrieben um ihr zu imponieren, da die Prinzessin immer ein großer Freund der Dichtkunst gewesen war. Teilweise hatte er sich wochenlang das Hirn zermartert um den passenden Reim zu finden.
Damals war die Welt noch voll von Magie gewesen. Sie hatte zu jener Zeit ein bunteres, fröhlicheres Wesen besessen. Heute war sie düster, bedrohlich und albtraumhaft.
Allein die blätterlosen Bäume zeigten wie sehr sich die Welt gewandelt hatte. Sie waren Pechschwarz, knorrig und schienen sich im Todeskampf zu winden. Das Gras war Braun und vertrocknet. Der Boden – ausgetrocknet und leblos – war unmöglich zu beackern. Schon seit sehr langer Zeit hatte niemand mehr die Sonne gesehen. Selbst ihre Magie schien erloschen. Die Luft war mit Ruß verunreinigt und machte das Atmen schwer.
Auf seinem Weg zur Burgruine wo der Turm mit der Angebeteten war, durchquerte der Held ein kleines Dorf.
Hätte der Reiter noch einen Funken Vernunft besessen, hätte er hier allein wegen seines Rosses halt gemacht, doch der Turm zog ihn geradezu magisch an und ließ keinen Raum für weitere Gedanken. Er merkte nicht einmal, wie sehr sein Pferd vor Müdigkeit taumelte oder dass sein Kopf immer erschöpft nach unten hing, so dass er fast über den Erdboden schleifte. Nicht einmal die stille Warnung der sich durch Hunger stark abzeichnenden Rippen fand gehört beim Helden. Ebenso die scheppernde Rüstung in die er nun zwei Mal hineingepasst hätte.
Schließlich musste er doch halten, da drei zwielichtige Gestalten den vollgepanzerten Reiter umrundeten. Der Held sah durch sein Visier Hass, Hunger und Wahnsinn in ihnen. Ohne Magie gab es keine Hoffnung – kein Licht das die Finsternis erhellte. So waren diese armen Gestalten zu Opfern der Korruption ihrer Umwelt geworden. Zu Schatten ihrer selbst die einzig und allein der Tod von ihrem Leiden erlösen konnte.
Der Held stieg ab von seinem treuen Ross, nahm den Schild mit den goldenen Löwen auf rot-blauem Grund in die linke Hand und zog anschließend sein schlankes Langschwert mit der rechten zischend aus der Scheide.
Das edle Reittier brach vor Erschöpfung tot zusammen. Bald würde es von den hungernden Leuten gefressen werden, die sich im Überlebenskampf um das Fleisch zu Tode prügeln würden.
Von der eigenen Hysterie angespornt, griff die erste Gestalt den Helden an. Seiner Kleidung nach war er einst ein stattlicher Adeliger gewesen. Doch das grausame Leben hatte ihn ausgemergelt und verkommen lassen.
Der Held blockte den Angriff mit seinem Schild. Vom unerwarteten Widerstand taumelte der Angreifer zurück.
Sofort ging der Held in den Angriff über und stach dem ehemaligen Adeligen in den Bauch.
Der zweite Angreifer schien schon immer ein Bettler gewesen zu sein. Aber dieser Hausierer war kein gewöhnlicher Mann. Er schleuderte dem Helden einen mächtigen Blitz in die Seite, der ihn mehrere Meter durch die Luft fliegen ließ. Von wilden Krämpfen gepeinigt zuckte der Held spastisch am Boden. Sein Herz pochte schmerzhaft, als wenn es aus der Zelle des Brustkorbes ausbrechen wollte. Die Glieder wollten nicht aufhören sich zu bewegen.
Dieser Zauber musste dem Bettler das Leben gekostet haben. Niemand der die Zauberei beherrschte konnte derlei Hexerei betreiben ohne mit dem Leben dafür zu bezahlen.
Die Magie steckte in allem. Sie war das Leben. Ging sie verloren, weil es jemand mit seinem Anteil übertrieben hatte, ereilte ihn sofort der Tod.
Mit einem dreckigen Lächeln beugte sich der letzte Angreifer (ein Plünderer) über den Helden. Er nahm ihm den Helm ab und warf ihn achtlos von sich. »Ich will in deine Augen sehen, wenn du stirbst«, sagte er mit heiserer Stimme und schnitt dem Helden mit seinem Messer in die Wange. Der Ritter unterdrückte den Impuls zusammenzuzucken.
Die Wunde brannte wahnsinnig. Der Held verzog vor Schmerz das Gesicht. Was war das für eine Klinge? Aber kaum, dass er es gemerkt hatte, war es schon vorbei. Allerdings fühlte sich die gesamte Gesichtshälfte nun taub an. Es breitete sich aus. Zuerst brannte die zweite Gesichtshälfte, dann war auch schon sämtliches Gefühl verschwunden. Dieses Gefühl breitete sich aus. Zuerst die Schultern, dann Arme, Torso und Beine. Jeder Atemzug war, als wenn der Held Feuer einatmen würde. Er wollte seinen Schmerz in die Welt hinaus schreien, doch sein Gesicht war vollkommen betäubt.
Jedem anderen hätte dieser Zustand eine Heidenangst gemacht, doch der Held blieb ruhig. Er konnte nicht sterben. Niemand konnte ihn töten. Einzig die Müdigkeit der langen und gefährlichen Reise forderte ihren Tribut. Er schlug die Augen zu. Zwar wollte er wach bleiben, doch die Lider fühlten sich unendlich schwer an. Er konnte sie gerade noch ein einziges Mal heben, um zu sehen wie der letzte Angreifer von einem Pfeil in den Kopf getroffen wurde, um dann anschließend zu sterben. Aber der Held würde nicht sterben. Er konnte es einfach nicht.

»Kommt schon, Prinzessin! Warum weist Ihr mich immer ab?«
Der junge Held hatte die beiden von seiner Schlafstätte im Stall aus beobachtet, seit sie den Hof betreten hatten.
Die Prinzessin stand mit dem Rücken zum jungen Prinzen. »Vergesst es! Ihr seid ein widerlicher Kerl. Ihr presst aus den lieben Leuten eures Reiches auch die letzte Münze heraus.«
»Wir liegen im Krieg mit dem Nachbarreich«, verteidigte er sich. »Mein Vater ist in die Schlacht gezogen und hat einen Großteil seiner Verpflichtungen auf mich übertragen, damit ich auf mein künftiges Amt vorbereitet bin. Und eine meiner Pflichten ist es, Geld anzuschaffen. Im Krieg wird nun mal jede Münze benötigt!«
»Habt Ihr euch die einfachen Leute einmal angesehen?«
Der Prinz lächelte belustigt. »Meine Liebe, ich bin ein Mann von Rang und Namen. Warum sollte ich mich mit dem dummen Pöbel abgeben?« Sein Lächeln war ein Ausdruck seiner Verachtung gegenüber seinem Volk.
»Sie leiden Hunger!«
Nun wurde der Prinz doch wütend. Der Held ahnte einen Konflikt voraus und hielt sich bereit wenn nötig einzugreifen.
»Geschieht ihnen recht! Wer faul ist, hat es nicht besser verdient!«
»Faul! Ich glaub ich hör nicht recht!«
Der Prinz fasste die Prinzessin an der Schulter an und redete eindringlich auf sie ein.»Denkt über mein Heiratsangebot nach!«
»Das brauche ich nicht«, erwiderte die Prinzessin mit unterdrückter Wut und warf die Hand von ihrer Schulter. »Ich lehne es entschieden ab.«
Der Prinz verlor die Fassung. Der Held konnte von seinem Beobachtungsposten aus die Wut spüren die in ihm ausbrach.
Seines Standes unpassend packte er erneut die Schulter der Prinzessin, zerrte sie mit Gewalt zu sich heran und sprach voll Zorn: »Glaubt Ihr etwa, dass Ihr eine Wahl hättet?! Ich bin der einzige Prinz weit und breit. Es gibt niemand anderen der euch ehelichen kann!«
Der Held schritt ein und zerrte den Prinzen von seiner Angebeteten fort. Er schleuderte ihn auf den staubigen Boden. Vor Zorn dass dieser Unhold es gewagt hatte dieser zarten Blume von Frau ein Leid zuzufügen, schlug er wieder und wieder auf ihn ein, bis seine Nase nur noch blutiger Brei war. An seinen Knöcheln klebte Blut. Den leisen Schmerz der davon ausging spürte er in seinem Zorn nicht.
Gerade als der Held dem eitlen Kerl den Schädel einschlagen wollte, konnte er die Hand nicht gegen ihn niedersausen lassen. Er versuchte es erneut. Wieder ging es nicht. Er starrte nach oben. Die Prinzessin hielt seinen Arm mit beiden Händen festumklammert. Die Tränen standen ihr in den Augen. Immer wieder schluchzte sie, er solle aufhören. Sie hatte es schon zuvor immer wieder gesagt, doch die Worte hatten ihn nicht erreicht. Erst jetzt da sich sein Blick geklärt hatte, verstand er sie. Ein paar ihrer warmen Tränen tropften auf sein Gesicht.
Der Prinz nutzte seine Chance um wieder auf die Beine zu kommen. »Das wird noch ein Nachspiel haben, Stalljunge!«, sagte er und rannte davon.
Der Held wusste, dass diese Tat ihn wahrscheinlich aufs Schafott bringen würde, aber das war ihm egal. Zum ersten Mal im Leben hatte die Prinzessin ihn bemerkt – den unwichtigen Knappen.
Seitdem gab es keinen Tag an dem sie nicht zusammen waren.


Der Schädel des Helden fühlte sich an, als wenn sein Gehirn sich verflüssigt und zur Nase raus geflossen wäre. Alle Glieder schmerzten noch von dem Gift und fühlten sich taub an.
Der Schein des Feuers erhellte seine wettergegerbten Züge. Seine kurzen Haare klebten vom Schweiß fest am Kopf. Der tagelange Ritt forderte seinen Tribut. Dem Helden stand der Schlafentzug deutlich ins Gesicht geschrieben. Die Augen waren blutunterlaufen und aufgrund seines stetigen Hungerns weit in ihren Höhlen. Er selbst hatte sich keine Ruhe gegönnt, seit er von der Entführung gehört hatte. Die eingefallenen Wangen ließen ihn wie einen Untoten aussehen und die langen Schatten der Flammen verstärkten diesen Eindruck noch.
Stöhnend ließ der Held den Kopf auf die Pritsche sinken, während er mit der behandschuhten Hand über sein Gesicht wischte. Der ungeschlachte Dreitagebart kratzte dabei etwas unangenehm.
Das Lager war nichts weiter als ein Laken auf der Erde, vielmehr als er früher in seiner Jugend gehabt hatte. Er war im Stroh eingeschlafen und morgens mit dem Gestank alter Pferdeäpfel aufgewacht.
Der Held richtete sich auf als er zwei tuschelnde Stimmen im hinteren Teil des Raumes hörte. Das Licht des Feuers erreichte diesen Teil kaum und zeigte bloß die groben Umrisse was sich dort befand.
»Er scheint wach zu sein«, sagte eine ältere Frau. Sie trat in den Schein der Flammen. Ihre Gestalt war wirklich verhärmt – dreckig, abgemagert und schmutzig. An einigen Stellen war Blut. Der Held glaubte ein aufflackern von Verwunderung in ihren Zügen zu sehen, doch so schnell ihm dieser Verdacht gekommen war, so schnell verflog er wieder.
Sein Blick wanderte zu der zweiten Gestalt im hinteren Teil. Es schien ein junges Mädchen zu sein und er glaubte ein freundliches Lächeln als Erwiderung seines Blickes zu sehen.
»Wie geht es dir?«, fragte die Frau.
Hätte der Held es gekonnt, hätte er die Frage der Frau beantwortet, doch leider konnte er nicht mehr reden. Er öffnete den Mund und zeigte seine Mundhöhle.
Die ältere Frau beugte sich näher. Ihre Augen waren nicht mehr so gut und im Raum war es auch noch sehr dunkel. Dabei konnte der Held die großen Pupillen sehr gut sehen. Scheinbar waren sie an das gegenwärtige Dunkel der Welt gewöhnt, aber das Alter forderte seinen Tribut.
»Na sieh mal einer an. Da hat dir jemand die Zunge herausgeschnitten. Warum? Hast du gelogen und dies als Strafe empfangen? Ist aber auch egal. Es ist jedenfalls sehr … praktisch.«
Der Held runzelte die Stirn ob dieser Worte. Dann blickte er sich um. Überall lagen abgenagte Knochen und Schädel. Die Wände waren mit Menschenhaut vor der Kälte der Welt geschützt und ständig von summenden Fliegen umgeben. In einer Ecke lag ein grob beleuchteter Haufen Fleisch von dem sich bei dieser Helligkeit nicht sagen ließ was vom Menschen alles vorhanden war. Die Ohren des Helden ließen ihn hören wie Maden sich an den Resten gütlich taten. Wie sie durch das Fleisch krochen, Eier ablegten und diese dann aufbrachen. Langsam begann der Held zu verstehen. Das kleine Wesen im Dunkeln bestätigte seine Vermutung. Er sah was sie da aß. Es war der Fuß eines Menschen, den sie fast zur Gänze aufgefressen hatte. Er sah an sich herab und musste feststellen, dass es sein eigener Fuß war, den sie da fraß. Sie fraß den Fuß des Helden!
Die alte Frau packte mit überraschend viel Kraft seinen linken Arm. »Keine Sorge. Es dauert nicht lange.« Auf einmal hielt sie ein blutiges Beil in der Hand. Im flackernden Schein der Flamme konnte man die zugespitzten Zähne der Vettel sehen. Wie hatte sie so etwas nur sich selbst antun können?
Der Held währte sich mit all seiner Kraft. Sein linker Arm rutschte hin und her, obwohl das Weib mit all seinem Gewicht darauf lag. Am liebsten hätte der Held sie von sich gestoßen, aber er sein linker Arm war fast vollkommen taub. Schließlich ließ das Weib sein Beil fallen, um die zweite Hand nutzen zu können.
»Komm gefälligst her und hilf mir, du faules Stück!«
Unnatürlich ungelenk erhob sich das Mädchen wie eine Marionette. Bereits in diesem zarten Alter fielen ihr bereits die zottigen Haare aus. Nach dem unbeholfenen Erheben schritt die junge Meid unerwartet grazil wie eine Tänzerin über den Boden. Ihre Bewegungen versprühten Kälte und Grausamkeit. Während sie sich den beiden näherte, verkrampften sich ihre mit blutbenetzten Lippen zu einem zwanghaft wirkenden manischen Lächeln. Dabei stellte sie im Zwielicht mit ihrem blutverschmierten Gebiss die kläglichen Überresten vom Fuße des Helden zur Schau, welche sich in ihren Zähnen verfangen hatten. Gänzlich im flackernden Licht entpuppte sich, dass das Mädchen unbekleidet war. Ihre Rippen zeichneten sich genau auf ihrer grauen Haut ab. Es war ein Wunder, dass der Held sie überhaupt als Mädchen erkannt hatte, da sämtliche weiblichen Rundungen vom Hunger verzehrt worden waren.
Nach einigen Schritten war sie da und half der alten Frau. Mit vier Händen und unter Einsatz ihres ganzen Körpergewichtes, konnte sie den Arm des Helden stillhalten.
»Ich zieh den Handschuh aus, dann muss ich nicht durch die Panzerung.«
Als die Frau nach dem Handschuh seiner Panzerung griff, bäumte sich der Held stärker denn je auf. Diesen Panzerhandschuh nahm er nie ab. Nie war die Hand ungeschützt zu sehen. Und so sollte es auch bleiben.
Als die alte Frau schließlich den Handschuh abgezogen hatte, sprang sie vor Schreck auf und ging einige Schritte zurück.
Auf der Handfläche des Helden war einer der berüchtigten schwarzen Spiralen die in einem Kreis endeten. Diese Spirale war das Symbol für den Fluch der Unsterblichkeit. Jeder der eine solche Spirale auf der Haut trug, war verdammt bis in alle Ewigkeiten zu leben und wurde den alten Gesetzen nach geächtet. Und obwohl die Magie schon so gut wie fort war, hatte der Fluch des Helden keinen Deut seiner fürchterlichen Macht eingebüßt.
Als die alte Vettel das Mal sah, blickte sie zu dem Mädchen und zurück zu ihm. Einem Moment lang herrschte eine gefährliche Stille, dann begriffen sie.
Das Kind hatte von seinem Fleisch gekostet. Dem Fleisch eines Verfluchten.
Hysterisch kreischend erhob die Alte das Beil und schlug damit auf den teilweisen kahlen Schädel des jungen Fräuleins ein. Sie hatte etwas sagen wollen, doch die Alte war schneller gewesen. Blut spritzte und das Mädchen welches noch ein langes Leben vor sich gehabt hätte hauchte es schon jetzt aus. Dabei kreischte das alte Weib: »Verdorben!« Damit aber nicht genug. Im Wahn schlug sie wieder und wieder auf den Leichnam des am bodenliegenden Kindes ein, wie um sicher zu gehen dass es wirklich tot war. Ihr Arm mit dem Beil zitterte. Wieder und wieder schrie sie dieselben Worte. »Verdorben! Verdorben!! Verdorben!!!«
Der Held war vor Schreck wie gelähmt. Nicht einmal das warme Blut, welches ihm ins Gesicht spritzte, vermochte ihn aus seiner Starre zu befreien. Der Grund für die Lethargie war eine gewisse Familienähnlichkeit zwischen den beiden Frauen, die einfach nicht zu leugnen war und die daraus resultierenden Fragen. Wie konnte jemand so etwas nur seiner eigenen Familie antun? War die Existenz des unsterblichen Helden wirklich so wider die Natur, dass es eine solche Tat rechtfertigte? Diese Fragen und mehr hallten in einem unheimlichen Echo in der unendlichen Leere seines gelähmten Geistes wieder.
Im Blutrausch schlug die Alte mit der flachen Seite des Beils gegen die Schläfe des Helden. Sofort schwanden ihm alle Sinne.

Immer wieder sauste die Peitsche auf den Rücken des jungen Helden und ließ eine brennende Wunde zurück. Die Schmerzen waren derart stark, dass er schon längst den Beißriemen durchgebissen hatte. All das geschah unter den Augen des verschmähten Prinzen mit der gebrochenen Nase. Die Prinzessin hatte von ihrem Zimmer aus zugesehen, doch schon nach kurzer Zeit hatte sie sich von der Gewalt angewidert zurückgezogen. Immer wieder sauste die Peitsche hinab. Um den Schmerz noch zu verstärken hatte man die Peitsche mit teurem Sals eingerieben welches jetzt im Blut des Helden tobte und raste. Nach hundertzwanzig Schlägen verlor der Held das Bewusstsein. Diese Folter hatte ihn vielerlei über Schmerzen gelehrt. Noch heute waren die Narben an seinem Rücken zu sehen.

Als der Held wieder zu sich kam, blendete ihn das schummrige Licht des grauen Tages. Unzählige Schnäbel quetschten sich durch die Gitterstäbe eines Käfigs in den man ihn eingesperrt hatte. Immer wieder pickten die hungrigen Krähen Stücke seines Fleisches aus ihm heraus, dabei nutzten sie geschickt die Lücken in seiner Panzerung.
Der abgetrennte Stumpf wo einst sein Fuß gewesen war, schmerzte höllisch. Einzig die Wunden die durch den Hunger der Krähen entstanden waren, ließen ihn diesen Schmerz wenigstens etwas vergessen. Die Unsterblichkeit hatte ihn gelehrt, wie ein Schmerz den anderen betäuben konnte.
Als er sich seiner Umgebung gewahr wurde, erkannte er das Grauen außerhalb seines kleinen Gefängnisses. Von überall vernahm er Wehklagen und Stöhnen von Menschen. Menschen die von den Bäumen verschlungen wurden. Männer, Frauen und Kinder bei keinem konnte man sagen, wo sie endeten und die Bäume anfingen.
Da den Pflanzen ebenfalls die Magie fehlte, holten sie sich das wenige von den Menschen. Sie pressten es aus ihren Körpern heraus und verschlangen ihre Leiber. Der Held erkannte die Grausamkeit der Umwelt, als er einem absorbierten mit intakter Nabelschnur Säugling dabei zusah wie er weinend und schreiend eins mit dem Baum wurde. Die Nabelschnur hing noch aus der Mutter heraus, die ein wenig weiter am Stamm war. Ihre von Pein verzerrten Züge waren kaum zu sehen und schon fast verwittert. Aber ihre bitteren Tränen flossen durch die dicke Rinde hindurch. Tränen einer Mutter die ihrem weinenden Säugling retten wollte und es doch nicht konnte.
Der Held schrie ob dieses Wahnsinns. Die Krähen stoben erschreckt davon. Doch auch sie waren vor den lebendigen Ästen nicht sicher, die sie einfingen und in wenigen Momenten ganz verschlangen.
Jetzt wurden auch die Bäume auf den Helden im Käfig aufmerksam. Sie schlugen mit ihrem Ästen gegen den eisernen Käfig.
An einigen Stellen seiner Rüstung konnten sie sich festsaugen. Der Held spürte wie aus seinen Armen das Leben wich. Wie es starb und hart wurde. Er fühlte die Wurzeln der Bäume, als wären sie seine Füße. Dabei empfand er etwas, was er nie zuvor gekannt hatte. Frieden. Ein Frieden der ihm seinen Kampfeswillen nahm und mit Gleichgültigkeit gegenüber der Welt einherging.
Sein harziger Blick wanderte zum Turm wie er in die Höhe ragte und lockte. Er glaubte die Stimme der Prinzessin zu hören, die ihn anspornte nicht aufzugeben. Natürlich war das Unsinn, aber es reichte aus seinem Kampfgeist neues Leben einzuimpfen.
Verbissen riss er seine Arme zu sich heran, während immer mehr Bäume der Umgebung nach seinem lebendigen Leib trachteten. Er stieß seinen Schild gegen das Holz und hackte mit der Klinge auf die Äste ein. Schließlich stießen die Bäume ihre Konkurrenten zur Seite. Mit brutaler Gewalt zogen sie den Käfig zu sich herüber.
Der Held schleuderte in seinem kleinen Gefängnis hin und her. Seine Klinge schlüpfte dabei durch die Gitterstäbe und fraß sich in die Erde.
Da kam schon der nächste Baum und zerrte ihn wieder in die andere Richtung. Die Lage eskalierte. Jeder Baum wollte den Helden für sich beanspruchen und griff daher zu immer brutaleren Maßnahmen.
Schließlich konnte das eiserne Gefängnis den Gewalten nicht mehr trotzen und zerbrach in seine Einzelteile. Der Ritterschild schlitterte im staubigen Boden davon.
Der Held beugte sich nach unten und griff nach einem gebogenen Stück Metall was einst eine Strebe des Käfigs gewesen sein musste, während über ihm der Krieg unter den Bäumen seinen Höhepunkt entgegen strebte. Den Helden hatten sie dabei vergessen, der sich das gebogene Metallstück in den blutigen Stumpf seines Beines rammte. Es sollte als Ersatz für den gefressenen Fuß dienen.
Ächzend versuchte er sich aufzurichten. Doch sein geschundener Körper gab unter der Belastung und den starken Schmerzen nach. Er schmeckte Dreck auf der Zunge und spuckte es verächtlich aus. Wütend knurrend krallten sich seine Hände in die ausgedorrte Erde. Innerlich zwang er sich zum Aufstehen. Unter starken Schmerzen schaffte der Held es wieder auf die Beine. Vorsichtig wagte er einen Schritt mit dem improvisierten Fuß. Schreiend knickte er zur Seite. Keuchend strengte er sich wieder an und rang die Tränen nieder. Er sah wieder hinauf zum Turm, der ihm wieder Mut und Hoffnung gab. Er sammelte Schwert und Schild wieder vom Boden auf.
Vorsichtig setzte er einen Fuß nach dem anderen. Die Wunde sendete immer noch heftige Schmerzen in regelmäßigen Wellen seinen Körper hinauf, die er durch schiere Willenskraft niederrang. Einzig dass die Bäume ihn keine Beachtung schenkten, ließ ihn dieser Situation etwas Positives abgewinnen.
Schließlich nach endlosen und schmerzvollen Stunden des Herumirrens lichtete sich das Dickicht und gab den Blick auf das Tor zum verfallenen Schlosshof frei. Der Held beschleunigte seine Schritte. Bald würde seine Suche zu Ende sein. Gerade als er die letzte Baumlinie passierte, fiel ihm ein dicker Ast in die Seite und schleuderte ihn gegen einen Stamm. Gierig vor Hunger verband sich das Holz mit dem Fleisch. Der linke Arm mit dem Zeichen seines Fluches streckte sich nach dem Tor. Schnell verwandelte sich das Fleisch in Holz. Der Held versuchte sich loszureißen, doch die Sinne verwehrten sich ihm. Es wurde schwarz, da Holzaugen nicht sehen konnten.
Wenigstens war seiner Qual ein Ende gesetzt und er spürte den Frieden eines Baumes. Sicherlich würde ein anderer kommen die Prinzessin zu retten. Jemand würde kommen, da war sich der Held sicher. Er würde sie retten, sie heiraten und ihr das Leben geben, welches sie verdiente, denn sie hatte etwas Besseres verdient als den Verfluchten der nur Leid und Unglück über alle brachte. Die Prinzessin würde sich nur noch etwas gedulden müssen.

Fortsetzung folgt…
Frohes neues euch allem. Hoffe ihr hattet einen guten Rutsch und ich will auch sofort weitermachen.

Wie jedem hier sicherlich aufgefallen ist, habe ich mich wieder einmal die letzten Monate für ein größeres Projekt zurückgezogen. Und ich bin froh es hier voller Stolz in einem Rutsch präsentieren zu dürfen. Hoffe ihr habt Spaß daran.

PS Mature Content sucks! (Das ist keine Verhandlungsbasis!)

Next: benutzernamesakar.deviantart.c…

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LeonieHawke's avatar
Die Geschichte ist wirklich gut, allerdings stört mich ein wenig, dass bei den Szenenwechselen nie so richtig klar ist, wie es jetzt zur neuen Szene kommt.
Er wird überfallen von hungrigen Menschen aber sie fressen ihn nicht sondern bringen ihn zu einer alten Menschenfresserin? (Gut, jeder ist da irgendwie ein Menschenfresser aber ich hoffe du verstehst, was ich meine. :D)
Mit dem Käfig, das kann man sich ja irgendwie denken wobei ich mich dann frage, wie die alte in den Wald gekommen ist, ohne von den Bäumen verschlungen zu werden.

Vielleicht bin ich aber auch einfach nur wieder zu akribisch, tut mir Leid. :D
Ansonsten finde ich sie wirklich sehr anschaulich und gut geschrieben.