literature

Von Alchimisten und Spinnen

Deviation Actions

EINsamer-wANDERER's avatar
Published:
607 Views

Literature Text

Obwohl es Jaq an einem eigenen Willen mangelte so hinderte sie dies nicht daran sich eine eigene Meinung über ihre Gebieterin zu bilden. Sie fand sie interessant und seltsam zugleich. Mal war sie wie ein Kind das den ganzen lieben langen Tag im Gras spielte um dann darauf wie eine wilde Löwin zu kämpfen. Riaens war eine ehrenhafte Seele, fürwahr und Jaq schätzte sich glücklich als Hülle von einer so edlen Amazone gerufen worden zu sein.
Eigentlich hatte Riaens geplant beim Bau des Dorfes zuzusehen in dem festen Glauben, dass dieser namenlose Ort mal eine ganze Stadt werden würde und sie fand es mit kindlicher Begeisterung unglaublich faszinierend wie nach und nach alles wuchs und gedieh, doch schon bald wurde ihr langweilig und sie wollte sich nützlich machen. So entschloss sie sich ihre Fähigkeiten im Kampf als ortsansässige Söldnerin zu verkaufen.
Bald, als die Spinnen wieder drohten das Dorf zu überrennen, wurden die beiden in die nächstgrößere Stadt geschickt um einen Alchimisten aufzutreiben der Tränke mischen konnte die die Spinnen weniger aggressiv werden ließen. Natürlich hatte Gloria erneut eine Warnung des Schicksals ausgesprochen, nach welcher keiner der beiden jemals lebend von dieser Reise zurückkehren würde, aber darauf schien die Amazone wenig zu geben.
Auf dem ganzen Weg war die Kriegerin gut gelaunt gewesen und schwankte fröhlich summend vor sich hin. Sie schien glücklich zu sein. Währenddessen folgte Jaq ihr schweigend. Vielleicht hätte sie mit ihrer Gebieterin fröhliche Gespräche geführt, doch man hatte sie nicht dazu aufgefordert und von selbst hätte sie nie den Mund geöffnet.
Manches Mal wünschte die Jaq sich wie die Amazone zu sein die vor freiem Willen fast übersprudelte. Zwar würde die Elfe mit dem Ihro alles für Riaens tun, doch es war so viel mehr als die eigentliche Bindung zwischen Gebieterin und Hülle. Sie respektierten sich gegenseitig und das war zuweilen sehr selten unter Ihresgleichen. Die meisten Hüllen wurden nicht viel besser als Puppen behandelt. Sie waren entbehrlich und kaum einer wusste, dass sie über Emotionen verfügten. Da niemand sie danach fragte und sie sich nicht selbst mitteilen konnten war dies nicht weiter verwunderlich. Aber Riaens hatte Jaq Verhaltensregeln gegeben die ihr in gewissem Maße eine Illusion von Entscheidungsfreiheit gab. Beispielsweise durfte sie sich ohne direkte Aufforderung setzen wenn ihre Beine müde waren. Der Elfe war es zudem gestattet sich ihres Lebens zu verteidigen sollte sie in Gefahr sein. Das meiste waren jedoch eher Kleinigkeiten für den Alltag, wie etwa dass sie Lächeln durfte wenn ihr danach war. Doch dies stellte sich als schwieriger heraus als es den Anschein hatte, da der Elfe solche Entscheidungen allgemein schwerfielen. Wenn ihre Gebieterin es gekonnt hätte, so hätte sie Jaq die Freiheit geschenkt, doch das war ihr nicht möglich. Sie hatte es bei mehreren Gelegenheiten versucht. Es war dieser Akt der Barmherzigkeit der der Elfe auch innerlich die nötige Loyalität abrang die sie brauchte um ihre Rolle als Dienerin mit ganzem Herzen zu erfüllen. Viele Hüllen sträubten sich innerlich gegen ihre Herren, doch das konnten sie weder zeigen noch hatte dieses Widerstreben irgendeinen Sinn.
»Sag mal, Jaq«, riss Riaens die Elfe aus ihren Gedanken. »Woher kommen die Hüllen eigentlich?«
Unverzüglich öffnete die Hülle ihren Mund ohne wirklich eigenes Zutun. »Wir wissen es nicht. Wir kommen und vergehen in unserer Welt wie der Wind. Durch unsere mentalen Einschränkungen können wir auch nicht losziehen und es herausfinden.«
Die Miene der Amazone schien plötzlich sehr ernst geworden zu sein, was Jaq selbst sah obwohl sie hinter ihr ging. »Weißt du, ich möchte mehr über euch wissen und wieso ausgerechnet ich dich beschwören kann. Und eines Tages würde ich gerne herausfinden wieso ihr keinen eigenen Willen habt. Wir haben ja schon viel miteinander gequatscht. Ich habe schnell gemerkt, dass ihr keine seelenlosen Geschöpfe seid. Es muss daher einen Grund dafür geben, dass ihr keine eigenen Entscheidungen treffen könnt. Und wenn ich dieses Rätsel gelöst habe, werde ich dir vielleicht sogar die Freiheit schenken können.«
Jaq wurde ganz komisch in ihrem Inneren. Am liebsten hätte sie die gewaltige Amazone die gut drei Köpfe größer war als sie selbst umarmt, doch leider hatte Riaens vergessen ihr diese Freiheit zu gestatten. Aber dies ließ sich bestimmt irgendwann nachholen, auch wenn sie selbst es nicht anmerken konnte, geschweige denn darum bitten.
Den Rest des Weges verbrachten die beiden schweigend. Während es bei Riaens eher nachdenklicher Natur war, so hatte Jaq keine andere Wahl. Ohne Aufforderung sprach sie nicht.
In der Stadt angekommen ging das ungleiche Paar gleich zum ersten Alchimisten den sie sahen. Sie öffneten die Tür und sahen dass hinter der Theke eine Gnomin war. Ihr blondes mit leichtbräunlichen Strähnen durchzogenes Haar war zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Die blau-grünen Augen zuckten unruhig hin und her, während ihre feingliedrigen Hände panisch in einem Fach unter der Theke durch verschiedene Dokumente und Formeln wühlten. Selbstverständlich besaß sie die für Gnome typische große Nase, doch der markante Zinken schien ihren feingeschnittenen Zügen eher zu schmeicheln statt wie bei vielen anderen ihrer Art zu stören.
»Tut mir leid, ich kann grad nicht«, sagte sie abwesend. »Kommen Sie bald wieder, dann werde ich auch den Trank gegen ihre Hämorriden fertig haben.«
»Verzeihung?«, fragte die Amazone.
Zuerst sah die Gnomin auf und als ihr Blick zwei Beine traf statt eines Kopfes, hielt sie mit ihrem Treiben inne und fuhr mit halb offenen Mund langsam zum Gesicht der Amazone empor. Sie schien sichtlich eingeschüchtert zu sein von der imposanten Gestalt. »Oh … äh … D-das tut mir leid. Eine Verwechslung«, sie lächelte dabei nervös.
Riaens schien entweder über die Verängstigung der Gnomin hinwegzusehen oder aber sie bemerkte sie schier nicht. Auf jeden Fall antwortete sie mit ruhiger Stimme: »Kein Problem.«
»Also, äh, was-was kann ich euch beiden anbieten? Tränke? Gifte? Fallen? Ich-ich kenne mich nämlich auch ein wenig mit Mechanik aus. Oder seid ihr von den Roten Tüchern?«
»Roten Tüchern?«, echote die Amazone.
»Ihr habt schon meinen Assistenten entführt und meine neue Formel gestohlen. Was wollt ihr denn noch?«
»Ich schätze hier liegt ein Missverständnis vor.« Riaens hob beruhigend die Hände. »Wo liegt das Problem? Wir würden gerne helfen.«
Die Gnomin seufzte. »Letzte Nacht ist hier eingebrochen worden. Vermutlich waren es die Roten Tücher. Sie haben mir viel Geld angeboten für meine misslungene Formel. Eigentlich wollte ich nur wissen wie man aus Blei Salz macht, immerhin ließe sich das mehr als nur in Gold aufwiegen, aber stattdessen fand ich eine Formel mit der sich die gesamte Grundwasserversorgung jeder Stadt vergiften lässt.«
»Das ist ja schrecklich!«, entfuhr es der Gebieterin.
»Allerdings. Ich hätte vielleicht irgendwann einen guten Preis dafür erzielen können, doch nun ist sie pfutsch. Und meinen Assistenten haben sie auch noch. Er war wirklich erstaunlich gut in der Alchemie für einen Menschen. Aus ihm hätte ein mittelmäßiger Alchimist werden können, doch diese Mistkerle halten ihn nun als Geisel, damit ich nichts gegen sie unternehmen kann.«
»Wir kümmern uns darum«, sagte Riaens selbstsicher.
»Das würdet ihr für mich tun? Ohne irgendeine Gegenleistung?«
»Natürlich«, erwiderte sie fröhlich grinsend. »Anderen Leuten hilft man doch gerne. Sag mir nur wo ich die Kerle finde.«
»Die Verbrecher sind in der Unterstadt, in der Nähe des Hafens. Wartet einen Moment, ich habe eine Stadtkarte die ich euch mitgeben kann.«
Die beiden Kriegerinnen fanden schnell das Versteck der Schurken. Sie töteten mit Speer und Dolchen. Als einige der Roten Tücher mit Armbrüsten aufwarteten, warf Jaq einen Tisch um und benutzte ihn als Deckung, während Riaens mit ihrem Schild gezielt die Geschosse abwehrte als wüsste sie wo sie wann einschlügen. Als jedoch die Bolzen verschossen waren, kamen die beiden hinter ihrer Deckung hervor, ließen eben jene zurück und gingen erneut auf die nun wehrlosen Schurken los.
Nachdem sie die Halunken beseitigt hatten stellten sie das gesamte Gebäude auf den Kopf. Den Assistenten fanden sie schließlich im Keller wo er beschäftigt das Gift zusammenmischte. Wie sich herausstellte war er von Anfang an ein Mitglied der Roten Tücher gewesen. Die Entführung und der Einbruch waren nur inszeniert um darüber hinwegzutäuschen. Nachdem er mit ein wenig Handgreiflichkeit der Stadtwache übergeben war, kehrten sie zu der Gnomen-Alchimistin zurück.
»Ich hätten niemals gedacht, dass er mich verrät. Vermutlich war ich selbst einfach zu sehr mit meiner Arbeit beschäftigt und wahrscheinlich wollte ich es auch nicht sehen.« Sie seufzte erschöpft. »Hier kann ich zumindest nicht bleiben. Das hier war nur ein Splitter der Roten Tücher. Sie werden wiederkommen und dann werden sie mir als erstes einen Besuch abstatten und mich töten.«
»Wieso kommt ihr nicht mit uns? Wir kamen eigentlich her, weil wir einen Alchimisten suchten. Unser Dorf ist noch klein und befindet sich in einem Wald mit menschenfressenden Spinnen. Man wird dich dort nicht vermuten.«
Die Gnomin stöhnte und rieb sich nachdenklich die Stirn. »Also gut, das klingt ganz vernünftig. Auch wenn ein Dorf nicht so viel Profit verspricht wie eine Stadt, so bleibt mir letztlich keine andere Wahl. Aber gut, man lebt nur einmal. Ich bin Euer. Nennt mich einfach Mimi. Wie heißt das Dorf eigentlich?«
»Öhm… Bisher hat es glaube ich noch keinen Namen, oder Jaq?«
Die Elfe schüttelte wortlos den Kopf.
Und so bekam das Dorf ohne Namen eine Alchimistin, welche künstliche Bäume herstellte deren Geruch die Spinnen abschreckte und somit den Bewohnern Sicherheit gab. Nichtsdestotrotz gab es nicht wenig zu tun für Riaens und Jaq, da die Seidenschneider beständigen Schutz in den Wäldern brauchten. Doch im Schatten dieses Sieges schwoll bereits die nächste Bedrohung heran um in Bälde über alle herein zu brechen. Selbst wenn man sich in diesem Moment klar darüber gewesen wäre, so verflogen alle Sorgen als die alte Gloria einen Besen vor lauter Wut in zwei Teile biss, da ihre Prophezeiung ein erneuter Reinfall war. Abgesehen von ihr waren alle im Dorf wieder glücklich.

The End
Weiter geht es aus der Sicht von der Elfe Jaq, während das Dorf ohne Namen nach einem Alchimisten sucht.

Next: fav.me/d96ejou
Previous: fav.me/d8xqox3

Sämtliche Rechte liegen bei mir. Das Kopieren oder Veröffentlichen unter eigenen Namen ist illegal!
© 2015 - 2024 EINsamer-wANDERER
Comments4
Join the community to add your comment. Already a deviant? Log In
Anglu's avatar
Diese Gloria wird noch ein Running-Gag :-D