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Das Lied von Feuer und Donner

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EINsamer-wANDERER's avatar
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Der gellende Ton eines Hornes drang in jeden Winkel von Asgard und schreckte jedes noch so kleine Lebewesen auf. Es war das Gjallarhorn, mit dem Heimdall die Götter zum Kampfe rief. Und wie zur Antwort erklang lautes Waffenklirren und ließ beinahe jede Burg in der Götterwelt erzittern; Die Asen und die Einherjer, die unsterblichen Krieger, rüsteten sich zur Schlacht.
In Walhalla, dem gigantischen Saal in Odins Burg Gladsheim, kamen die Götter zusammen. Alle waren sie da, jeder Einzelne in schimmernder Wehr und mit den mächtigsten Waffen gerüstet, die die Welt je gesehen hatte. Tyr, der einarmige Kriegsgott, der kampflüstern sein Schwert schwang; neben ihm Heimdall, der Wächter von Asgard, ebenso wie sein göttlicher Bruder mit einem scharfen Schwert bewaffnet; dann kam Uller, der Gott der Jagd, Pfeil und Bogen bereit haltend, und über dem dichten, braunen Vollbart glühte die Kampfleidenschaft; Freyja, die Königin der Walküren, deren Haupt bedeckt war mit dem Schreckenshelm Hildeswin, welcher einem Eberrüssel nachgebildet war, um den Hals den kostbaren Schmuck Brisingamen, in der Hand jedoch einen scharfen Speer; ebenso wie Widar, Odins Sohn und Thors Söhne Modi und Magni, und noch vielen Anderen. Sie alle jedoch wurden von einer majestätischen Gestalt auf einem hochstehenden Thron überstrahlt. Ihr Haupt bedeckte ein geflügelter Goldhelm, und darunter wallte langes, schneeweißes Haar hervor, von dem sich eine Locke über das linke Augenlid zu schmiegen schien, während das andere Auge hell wie das Licht der Sonne strahlte. Ein langer, weißer Bart wallte einer Schneewolke gleich auf die Brust, welche von einer strahlenden Brünne bedeckt wurde, auf der die Rune des Schicksals zu sehen war, und in der Rechten ragte drohend ein gewaltiger, silbern schimmernder Speer auf. Es war Gungnir, der Erd- und Welterschütterer, das kennzeichnende Merkmal der Allmacht seines Besitzers: Allvater Odin.
Durch den weitläufigen, von Tausenden und Abertausenden von Kerzen erleuchteten Saal hallte das Raunen der Anwesenden, und alle waren aufgeregt und kampfeslustig. Nur Odin saß auf seinem Thron, scheinbar tief in sich versunken, das Auge wie in weite Ferne gerichtet, als blicke er bis ans Ende der Zeit.
„Heimdalls Horn ruft uns zu den Waffen!“ rief soeben Tyr, der kampflustige Kriegsgott. „Wo sind die Schergen? Lasst uns kämpfen!“ Neben ihm schüttelte Freyja ebenfalls ihren Spieß. „Tyr hat Recht! Die Walküren werden wieder durch die Lüfte rasen und die gefallenen Helden in diese Halle bringen!“
Lautes, zustimmendes Stimmengemurmel ertönte, bis plötzlich Odin ganz kurz und kaum merklich die Hand hob. Obwohl die Bewegung beinahe kaum wahrnehmbar war, genügte sie doch, um augenblicklich Stille in der Walhalla einkehren zu lassen. Alle Blicke richteten sich nun gespannt auf den großen Göttervater. Sein Auge wanderte langsam von Einem der Anwesenden zum Anderen, und ein Jeder erschrak, als der Blick des Asenoberhauptes ihn streifte.
„Heimdall ruft uns zur Schlacht“ sagte Odin, und in seiner tiefen Stimme lag schwere Sorge, „doch ist es kein gewöhnlicher Kampf, den wir zu befürchten haben. Hugin und Munin bringen mir besorgniserregende Kunde. Die Welt der Menschen ist bedroht; tiefer Winter herrscht in Midgard. Seit der Mjölnir, die stärkste Waffe und größte Hoffnung der Asen verschwunden ist, fallen die Riesen ungestört über die Sterblichen her.“
Da wurde er von Tyr unterbrochen. „Nun, da Thor sich ihrer nicht annehmen kann, so lasst uns diese Angelegenheit selbst in die Hand nehmen! Wir werden diesen Schergen schon heimleuchten!“ Waffenklirren und lautes, zustimmendes Brummen antwortete ihm. Doch erneut gebot Odin ihnen, zu schweigen.
„Nicht nur diese Nachricht ist es, die meine Sorgen wecken. Thor und Loki sind bereits geraume Zeit weg, und nichts deutet auf ihre baldige Rückkehr hin. Im Gegenteil habe ich sogar erfahren, dass die beiden wohl aneinander geraten sind.“
Nun war es Uller, der mit tiefem, dröhnenden Lachen reagierte. „Na das ist doch auch kein Wunder“ meinte er. „Thor und Loki sind nicht gerade die besten Freunde! Die beiden Streithähne sind doch schon so oft aneinander geraten. Was ist daran denn so schlimm?“
Odin schloss für einen Moment das Auge und neigte den Kopf. „Es scheint wohl, dass sich Loki die Tatsache zu Nutze gemacht hat, dass Thor seinen Hammer nicht hat. Wahrscheinlich hat Loki Thor getötet.“
Das unfassbare, stille Entsetzen, welches sich nun im Saal ausbreitete, war beinahe greifbar. Alle starrten den Allvater ungläubig an. Schließlich war es Freyja, die mit belegter Stimme sprach.
„Wie… wie konnte das… warum haben die Walküren davon nichts erfahren?“
„Wenn es stimmt, so ist Thor nicht im Kampfe gestorben, und so kann er auch nicht von den Walküren nach Walhalla getragen werden.“ antwortete Odin.
„Aber…“ rief Tyr, und seine Stimme zitterte vor Wut, „wie kann es sein? Thor soll tot sein? Das kann ich einfach nicht glauben! Der Welt Schirmherr und Beschützer? Wie kann es sein, dass ein Ase sterben kann? Wir Götter sind unsterblich!“
„Thor befand sich nicht in Asgard, der Götterwelt“ entgegnete Odin ruhig. „Er befand sich in Midgard, der Welt der Sterblichen. Von normalen Händen war er sicherlich nicht zu töten. Aber Loki ist auch kein gewöhnlicher Mann und selbst unter uns Asen ist er ausergewöhnlich …“
“Diese Schlange…“ Tyr ballte die Faust und knirschte mit den Zähnen. „Wir müssen ihn finden! Er soll dafür bezahlen, was er getan hat!“ Zornige Rufe wurden laut, und überall verlangte man plötzlich nach Lokis Kopf.
„Genug!“ hallte Odins gebieterische Stimme durch die Halle. „Nicht die Rache ist es, der wir uns widmen sollten! Wenn die Kunde stimmt, so ist die gesamte Schöpfung in Gefahr! Ob Thor nun tot ist oder nicht, er ist nicht hier! Und ohne ihn sowie ohne den Hammer sind wir geschwächt! Nichts fürchten die Riesen so sehr wie den Zermalmer, der tausendmal mehr Riesen gefällt hat als wir alle mit unseren Waffen zusammen!
Außerdem können wir den Menschen, so sehr mich dieser Gedanke auch schmerzt, nicht zu Hilfe eilen. Die Riesen wollen uns aus Asgard locken, wo wir noch einigermaßen geschützt sind. Wenn wir uns nach Midgard begeben, so sind wir ihnen ausgeliefert. Wenn sie ihre gesamten Kräfte aufbieten, so werden die Götter untergehen.“
Lange herrschte nun bedrückte Stille, bis schließlich erneut Freyja das Wort an sich nahm. „Und was sollen wir nun tun?“
„Derzeit können wir nichts weiter tun als zu warten und uns hinter den Mauern Asgards verschanzen. Jeder Einzelne soll sich bewaffnen! Es kann durchaus sein, dass die Riesen sich bald nach Asgard wenden. Hier haben wir wenigstens noch eine geringe Chance gegen die bösen Kräfte. Doch wenn es stimmt und Thor getötet wurde, so ist die Welt der Menschen wohl dem Untergang geweiht. Und wer weiß, wie lange dann Asgard noch steht.“
Sie alle sahen sich an, und in den Augen jedes Einzelnen war die unausgesprochene Frage zu lesen Wisst ihr, was das bedeutet? Und zugleich die erschreckende Antwort: Es war möglich, dass die Götterdämmerung, das Ende aller Zeit, nahe war.

Thors fieberiger Geist irrte durch die Welt der Erinnerungen. Vor ihm tauchte ein Bild auf; es war der Gerichtshof, gerade neben der Walhalla. Odin und die anderen Götter waren um Loki und einen Zwerg versammelt. Loki übergab Odin den Speer Gungnir, und Thor erhielt von dem Zwerg den Hammer mit den Worten: „Dies ist der Mjölnir, der Zermalmer. Seinesgleichen gibt es kein zweites Mal in den neun Welten. Der Hammer zermalmt Eisen und harten Fels wie mürbe Erdklumpen und kehrt nach jedem Wurf wieder treu in deine Hand zurück. Ihn werden die Riesen fürchten wie keine andere Waffe.“
Das Bild verschwamm, und machte einem Anderen Platz: Thor sah sich auf einem Fischerboot, eine Angel im Meer versunken. Plötzlich begann die See zu tosen und haushohe Wellen stiegen empor, als plötzlich aus den finsteren Tiefen des Meeres der gewaltige Kopf einer Schlange auftauchte. Wild gebärdete sie sich und zog und zerrte, so dass Thor beinahe in die Tiefe gezogen worden wäre, doch da griff er zu Mjölnir und ließ den mächtigen Hammer auf den Kopf des Ungeheuers nieder krachen.
Wieder verschwamm das Bild, und er sah den glänzenden Saal der Walhalla. Zwischen den Göttern, die am Tisch saßen und zechten, saß ein plumper Riese, der soeben den Göttern spottete, er sei mächtiger und stärker als sie allesamt. Niemand wagte es, ihm zu trotzen, bis schließlich er selbst, Thor, den Saal betrat und den Frevler zum Zweikampf forderte. Mit einem einzigen Wurf flog Mjölnir donnernd und blitzend dem Riesen an den Schädel und tötete ihn, wodurch die Bedrohung gegen die Götter abgewendet werden konnte…
Die Szene verschwamm, und Thor wusste, was er tun musste. Er durfte den Hammer nicht aufgeben. Mjölnir war die größte Hoffnung allen Lebens. Wenn er verloren war, wäre alles dahin.
Sein Geist wurde nun von samtiger Dunkelheit umhüllt. Langsam jedoch meldete sich ein seltsames Gefühl: Es war Schmerz. Zuerst nur taub, begann er jedoch immer mehr zu pochen, und bald mischte sich ein weiteres Gefühl hinzu: Kälte.

Mit einem Brüllen wachte der Donnergott auf und fasste sich ans Bein. Die tiefe Wunde hatte mittlerweile aufgehört zu bluten, doch der Schnee war dunkel gefärbt von Blut. Der Schmerz jedoch war nicht verklungen und ließ den Donnergott die Zähne zusammenbeißen, während er sich umsah. Kleine Spuren führten von dem Ort, an dem er lag, davon.
Loki! Drang es ihm wie ein Blitz durch den Kopf. Er hatte ihn angegriffen und ihn verletzt! Aber warum hatte er ihn nicht getötet? Hatte er es nicht gekonnt? Hatte ihn irgendwas daran gehindert?
„Du willst den Hammer…“ grollte Thor, und in der Ferne war plötzlich das dumpfe Rumpeln eines herannahenden Gewitters zu hören. „Aber das werde ich dir nicht so leicht machen, mein Freund.“ Die Bilder seines Traumes kamen ihm wieder in den Sinn. Eigentlich war Loki selbst mit dafür verantwortlich, dass es Mjölnir überhaupt gab. Er hatte damals mit dem Zwerg Brock gewettet, dass dessen Bruder Sindri die Kunstwerke von Iwaldis Söhnen nicht würde übertreffen können. Doch als er merkte, dass Sindri mit seiner Kunst drohte, ihn zu besiegen, hatte er versucht, die Arbeit der Zwerge zu behindern. In Gestalt einer Fliege stach er Brock, der den Blasebalg bediente, zwischen die Augen, so dass er für einen kurzen Moment abließ, um sich das Blut von den Augen zu wischen. Das Ergebnis war ein gewaltiger Hammer mit zu kurzem Stiel. Mjölnir, der Zermalmer, die mächtigste Waffe, die es je gegeben hatte. Schon damals hatte Loki versucht, drein zu pfuschen, doch er hatte es nicht geschafft. Und er würde es auch jetzt nicht schaffen.
Mit einem Schmerzensschrei stemmte der Donnergott sich in die Höhe und humpelte durch den Schnee, den Spuren folgend, bis er schließlich ein Portal erreichte. Thor ahnte, wo dieses Portal hinführen würde.
„Odin, mein Vater“ rief er, den Kopf in den Nacken gelegt. „Dort hinter diesem Portal wartet der Tod auf mich. Ich weiß, welches Risiko ich auf mich nehme. Doch wenn ich es nicht tue, so sind wir alle verloren. Ich muss den Mjölnir wiederhaben, oder alles ist zunichte.“
Damit sprang er in das Portal und landete mit lautem Getöse mitten unter drei Riesen. Diese waren viel zu überrascht, als dass sie selbst für den verwundeten Thor eine Gefahr dargestellt hätten. Mit einer blitzschnellen Drehung brach er einem von ihnen das Genick, während der dem Zweiten mit dem Schwert des ersten Riesen den Kopf absäbelte. Der dritte Riese wollte soeben schreiend davon laufen, doch ein zielsicherer Wurf des Schwertes fällte ihn.
Thor hinkte durch einen Gang, bis er schließlich vor einem riesigen Tor ankam, welches von zwei Giganten bewacht wurde. Jeder von ihnen zwar zweimal so groß wie Thor selbst, und doch funkelten sie ihn einen Moment lang überrascht an, bis sie schließlich unsicher ihre Speere zückten.
„Na los, kommt her, ihr dämlichen Hunde“ knurrte Thor. „Ich fürchte den Tod nicht!“ packte mit beiden Händen den Speer des linken Wächters, um diesen mit einem scharfen, plötzlichen Ruck zu entwaffnen. Blitzschnell hatte er den zweiten Wächter damit durchbohrt. Der zuerst Überrumpelte hatte sich jedoch mittlerweile wieder von seiner Überraschung erholt und drang nun mit einem Schwert auf Thor ein. Dieser wehrte den Hieb mit dem Speer ab und jagte dem Riesen den Stil seiner Waffe in den Magen. Diesem blieb die Luft weg, und noch bevor er reagieren konnte, hatte Thor ihm das Schwert aus der Hand gedreht und ihm den Kopf abgeschlagen.
Während dieses Kampfes waren bereits weitere Riesen herangestürmt, doch Thor achtete gar nicht auf sie sondern schwang die Flügel des Tores auf. Dahinter lag der Thronsaal, und darin sah er einen Riesen auf einem Thron sitzend, und ihm gegenüber – Loki.
„DU HUND!“ brüllte er, und in seinen Augen lag geballte Mordlust. "VERRÄTER! DU KLEINER DRECKIGER VERRÄTER!!! KOMM HER, DU..." Die restlichen Worte gingen in einem unmenschlichen Gebrüll unter, als der Donnergott, das Gestalt gewordene Gewitter des Zorns, in den Thronsaal stürmte. In seinen Augen blitzte immer wieder das Wetterleuchten auf, aus seinem Mund drang ein Grollen wie Gewitterdonner und er schnaufte so laut in seinen Bart, dass es wie Sturmgetöse in der Luft klang. Und obwohl er humpelte, hatte er eindeutig nichts von seiner Gefährlichkeit eingebüßt, ganz im Gegenteil. Als er Loki erblickte, brüllte er auf, so dass der ganze Thronsaal erzitterte. Mit blanker Wut stürmte er vorwärts, trotz seiner Verletzung zu schnell, als dass die plumpen Riesen ihn erfassen konnten.
Geirröd starrte ihn mehrere Sekunden lang ungläubig an, dann wandte er den Kopf und funkelte Loki hasserfüllt an.
"Du hast ihn nicht getötet?", fragte Geirröd.
Loki musste sich auf diese Frage erst einmal nachdenklich das Kinn reiben, während er sich vom Bergriesen zurück in den Jüngling verwandelte. Seine Augen schweiften dabei tagträumerisch schräg nach oben ab, als wenn er sehr intensiv nachdenken würde.
In Wirklichkeit aber lobte er sich innerlich selbst für diesen Geniestreich. Sein Plan war perfekt aufgegangen.
Wenn es nach Thor gegangen wäre, hätten die beiden mit großem Kampfgeschrei das Schloss gestürmt und alle Riesen auf den Weg niedergestreckt, doch Loki hatte anderes im Sinn gehabt. Er hatte Thor bewusstlos geschlagen, daraufhin war er ihm wie ein tollwütiger Hund hinterhergejagt. Aber dann wäre das Ganze zu schnell gegangen. Thor hätte den Feuergott zu schnell eingeholt. Loki hatte Zeit gebraucht, um seinen eigentlichen Plan, von dem Thor nur das Ablenkungsmanöver war, in die Tat umzusetzen. Also hatte er den Donnergott am Bein verletzt, um ihn zu verlangsamen und sich selbst so die nötige Zeit zu ergaunern.
Innerlich lobte Loki sich nochmal für die Einfachheit und Genialität seines Meisterplanes, bevor sein Blick wieder zu Geirröd zurückschweifte.
"Auweia", sagte Loki übertrieben gespielt. "Das habe ich wohl in der ganzen Aufregung und Hektik irgendwie ... tja ich weiß auch nicht … verschwitzt." Er zuckte ergeben mit den Schultern. Sein verschmitztes Grinsen sprach Bände und strafte seine Worte Lügen.
Geirröd schien erst jetzt seinen Verrat zu merken, was Loki aus seinem wütenden Schnauben und der gewaltigen Pranke schloss, die versuchte ihn zu schnappen es jedoch nicht schaffte, da Loki einen Sprung nach hinten machte und ihr entkam. "Um dich kümmere ich mich später", sagte er, während er auf dem immer noch wütenden Thor zuschritt. Den Mjölnir fest in der Hand umklammert. "Erst einmal kümmere ich mich um Thor."
"AUS DEM WEG!", brüllte der Donnergott. Er schien noch gar nicht bemerkt zu haben, dass Geirröd seine Waffe in der fleischigen Pranke hielt.
"Sieh dich nur an", sagte Geirröd spöttisch. Seine Stimme hallte durch den Thronsaal wie ein herablassender Chor. Thor humpelte trotz seiner Worte, auf ihn zu. Er schien blind und taub für alles andere außer Loki zu sein. "Du bist verletzt und schwach. Nichts als ein Schatten deiner einstiegen selbst. Weit weg von den schützenden Mauern Asgards, dringst du in mein Reich und Heim ein. Du hast weder deine Freunde, noch deine Waffe bei dir. Welch Ironie, dass du - der du tausende der Unseren abgeschlachtet hast, wie Viech - durch jene Waffe stirbst, die so viele meiner Untertanen und Krieger getötet hat und die dir gehört."
Plötzlich hielt der Donnergott inne. Erst jetzt schien Thor zu begreifen, dass der Riese seinen Hammer in der Klaue hatte. Ungläubig schaute er auf seine Waffe, die ihn mehr bedeutete, als der Zorn auf den Feuergott, welcher gespannt die Szenerie beobachtete. "Mjölnir! Gib ihn her!", schrie Thor fuchsteufelswild.
Geirröd hob den Hammer unheilverkündend hoch. Es sah aus, als wenn der Mjölnir Thor nicht mehr als seinen Herren betrachtete und ihm nun den Untergang wünschte. "Dein Tod wird unsere Ära einläuten. Und das Ende der Asen verkünden." Der Hammer sauste einem sturmgleich auf Thor nieder. Dieser schlug mit seiner mächtigen Faust nach der Waffe. Hammer traf krachend auf Faust. Der Mjölnir zersprang in Tausendteile, die sich dann im gesamten Saal ausbreiteten. Geirröd fiel von der Wucht des Schlages nach hinten, wo ihn Thor mit einem zweiten Schlag ins Gesicht gegen seinen Thron schleuderte. Teile der maroden Decke begruben den Riesen unter sich.
Loki klatschte anerkennend in die Hände. "Nicht übel, gar nicht übel. Ich hätte sein Geschwafel keinen Moment länger ertragen können."
Schneller als Loki reagieren konnte, war Thor bei ihm und packte ihn an der Gurgel. Verzweifelnd mit den Beinen tretend versuchte sich der Feuergott wieder einmal aus dem Würgegriff seines Rivalen zu befreien. "Wo ist der echte?!", knurrte Thor mit einem funkelnden Zorn in den Augen, der schon fast an Wahnsinn grenzte.
"Was?!", fragte Loki heiser. Der Griff schnitt ihm die Luft ab und ließ seine Stimme fast versagen.
"Der echte Mjölnir wäre nie zersprungen! Jemand hat ihn gegen eine Fälschung ausgetauscht! Und ich glaube, dass du etwas damit zu tun hast."
"Ich weiß von nichts! Ich schwöre es! Ich habe ihnen den echten Mjölnir gebracht! Ich weiß nichts von einer … einer Fälschung!" Thor stierte Loki noch ein paar qualvolle Augenblicke an, bevor er ihn los ließ. Plumpsend fiel Loki zu Boden, wo er sich hustend den Hals hielt. Jedes Schlucken schmerzte, aber es würde in ein paar Tagen verschwinden.
"Wenn du ihn nicht hast, wo kann er dann sein?", fragte Thor mehr zu sich selbst, als zu Loki.
"Wer immer ihn gestohlen hat, er kann nicht weit sein. Bestimmt ist er noch hier im Schloss. Wir müssen jedes Zimmer durchsuchen, dann finden wir ihn schon."
Stumm humpelte Thor zu einer kleinen Tür, die an der rechten Seite des Thronsaals befand und zum Seitenflügel führte, ohne auf den Plan des Feuergottes zu antworten.
Im Seitenflügel teilten sich die beiden auf. Loki ging in die eine Richtung des Ganges, Thor in die andere. Als der Donnergott außer Hörweite war, schlich sich Loki in ein Zimmer und schlug schnell die Tür hinter sich zu. Mit pochendem Herzen drückte er sich breitbeinig mit von sich ausgestreckten Armen gegen die Tür, wie um jemanden daran zu hindern einzudringen. Er spitzte die Ohren. Doch es war weder das laute Grölen von Riesen noch das laute Getöse eines Asen zu hören. Als der Feuergott sich sicher war, dass niemand in der Nähe und er somit allein war, zog er unter seinem Wams ächzend mit großer Mühe den echten Mjölnir hervor. Seine Arme zitterten unter der gewaltigen Anstrengung, denn die Waffe war viel zu schwer für ihn und so konnte er ihr Gewicht nicht lange tragen. Krachend schlug die Waffe auf den Boden auf wo sie einen kleinen Krater im steinernen Boden hinterließ. Loki zog hörbar die Luft durch die Zähne und hoffte, dass niemand den Lärm bemerkt hatte.
Der Feuergott hatte den Mjölnir im Moment der Ablenkung, als Geirröd zum Fenster geschritten war um nachzusehen, was der Lärm außerhalb des Thronsaales zu bedeuten hatte, heimlich eingesteckt. Loki hatte in weiser Voraussicht eine Fälschung angefertigt, auch wenn er damals nicht gewusst hatte, was er damit hätte anstellen sollen. Zur Not hätte er die Fälschung für einen seiner schelmischen Streiche genutzt um Thor zur Weißglut zu bringen. Aber das war jetzt nicht mehr wichtig.
Wieder einmal hatte Loki mehr Glück als Verstand gehabt. Hätte Thor ihn durchsucht, wäre der Feuergott mit Sicherheit nicht hier.
Als Loki so auf die Waffe schaute wie sie sich weigerte heben zu lassen, erinnerte er sich an etwas Schreckliches, dass er vor langer Zeit gesehen hatte.
"Was ist denn hier passiert?", fragte Loki laut, obwohl niemand da war, der ihn hätte hören können. Zumindest niemand Lebendiges. Wieder einmal war er in der Welt der Riesen auf seinen Abenteuern unterwegs gewesen, als er in einem kleinen Dorf halt machen wollte. Obwohl es von Riesen bewohnt wurde, war es ein sehr friedliches Fleckchen Erde gewesen. Die Bewohner hatten zwar eine harte Schale, aber ihr Kern hätte weicher und liebenswürdiger nicht sein können.
Doch was er an diesem Tage sah, war nicht das harmonische Dorf von einst, sondern der Ort eines Massakers. Es sah aus, als wenn ein gewaltiger Sturm getobt hätte. Von den einfachen Hütten waren nichts als die verkohlten Überreste geblieben. Leichen stapelten sich auf Leichen. Irgendjemand- oder etwas hatte die Bewohner mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen. Einige waren eindeutig von Blitzen niedergestreckt worden. Teilweise mussten sie zweimal am selben Ort eingeschlagen haben. Loki konnte an den Spuren genau erkennen, wie es abgelaufen war. Es war ein einzelner Angreifer gewesen, der über das Dorf hergefallen war. Die Bewohner hatten sich nur verteidigen wollen, aber der Angreifer hatte keine Gnade gezeigt. Er hatte alles und jeden niedergemetzelt und von den Hütten nichts als Schutt und Asche übrig gelassen.
Loki kannte nur einen, der zu so einer grauenvollen Tat fähig gewesen wäre. Thor – der keinen Unterschied bei den bewaffneten Kriegern und einfachen Bauern machte, für den alle Riesen gleich waren. Aber ohne seine Waffe – den Mjölnir – wäre er niemals so mächtig geworden. Seit er diesen Hammer trug, war er vollkommen außer Kontrolle geraten. In seinem Herzen, das nichts als nur schwarz und weiß kannte, war für nichts anderes Platz als für Krieg und Blutvergießen. Wenn Odin ihn nicht ab und an ins Gewissen reden würde, wären inzwischen alle Riesen tot, doch auch Riesen hatten ein Recht zu Leben. Aber Thor schloss von einigen Taten der Riesen gleich auf das ganze Volk. Wieder einmal verfluchte Loki den Tag, an dem Thor diesen Hammer bekommen hatte. Der Mjölnir trug mit schuld an dieser Tragödie. Der Feuergott sprach aus, was er sich schon hunderte Male in Gedanken gesagt hatte, bevor er weiterreiste "Wenn es diesen Hammer bloß nicht gäben würde ..."

Jetzt war es an der Zeit den Zermalmer ein für alle Mal zu zerstören, damit nie wieder ein unschuldiges Riesenkind durch ihn fallen musste. Immerzu redete Thor von seiner Ehre als Krieger, doch wie konnte er von so etwas wie Ehre sprechen, wenn er noch nicht einmal zwischen erwachsenen Kriegern und ausgewachsenen Kindern unterscheiden konnte? Loki wusste zwar, dass es schwierig war sie zu unterscheiden, denn ein Kind war schon innerhalb von drei Mondzyklen ausgewachsen und immer noch auf der Entwicklungsstufe eines Dreijährigen, doch Thor hatte sich noch nie die Mühe gemacht, die Riesen zu verstehen.
Hier und jetzt würde er dem Allem ein Ende bereiten. Aber er musste erst einmal den Mjölnir zerstören – keine leichte Aufgabe. Die Riesen hatten unendlich viel Zeit damit verbracht, Pläne und Ideen zu schmieden, um diese Waffe endgültig zu zerstören.
"In Ordnung, Loki. Ruhig bleiben, ruhig bleiben, dass hat dich weit gebracht. Zuerst einmal müssen wir wissen, was wir an Werkzeug hier haben."
Er sah sich daraufhin im Zimmer um. Es war ein einfaches Bedienstetenzimmer mit einem glaslosen Fenster und einfachen Mobiliar. Loki zerrte den Hammer mit all seinen ihm zur Verfügung stehenden Kräften zum Fenster. Unter der Belastung stöhnte und schnaufte er, als wenn er eine ganze Karre voll Steine ziehen müsste. Als er sein Ziel erreicht hatte, steckte er neugierig den Kopf nach draußen. Unterhalb des Fensters war ein tiefer Abgrund, der den Feuergott mit gähnender Schwärze begrüßte. "Wenn er da reinfällt, findet man ihn nie wieder." Loki grinste verschmitzt. Unter Stöhnen und Ächzen hob er den Mjölnir vom Boden auf.
Er hielt ihn in die Tiefe und grinste ihn dabei an. "Auf Nimmerwiedersehen, du blödes Ding", sagte er noch bevor er den Hammer losließ und ihn hinterher sah, wie er in den Abgrund stürzte um nie wiedergesehen zu werden.
Mit klatschenden Händen drehte sich Loki wieder ins Zimmer um.
"Dass es so einfach gehen würde, hätte ich nicht gedacht. Jetzt muss ich nur noch so tun, als wenn ich den Hammer gesucht hätte und natürlich nichts gefunden habe.“ Loki räusperte sich für die Probe. "Tut mir leid, Thor du verblödeter Bär. Ich habe überall gesucht, aber nichts gefunden. Nein,“, sagte Loki sich selbst, „das geht so nicht. Das kauft mir niemand ab.", dann setzte er eine ganz deprimierte Miene auf. "Hast du was gefunden? Nein? Ich glaube nicht, dass wir hier noch was finden werden. Ich bin dafür, dass wir uns erst einmal in eine Taverne setzen und über unsere nächsten Schritte nachdenken. Ich kenne da ein interessantes Etablissement in dem sind viele … du weißt schon … Miau! Was sagst du? Du bist dafür und ich bin der größte Krieger aller Zeiten? O bitte, keine großen Lobhymnen! Da werde ich immer so rot.
Ja, viel besser. Noch ein bisschen Übung und weniger Zuversicht, dann klappt auch alles wie am Schnürchen."
Loki wollte gerade gehen, als irgendetwas Hartes gegen seinen Kopf stieß und ihm schwarz vor Augen wurde.
Als er seine Augen wieder aufschlug, sah er ein paar verschwommene Fellstiefel, die ihm sehr bekannt vorkamen. "Thor? Was machst du denn hier?", fragte er immer noch benommen, während er sich aufsetzte und erst einmal den brummenden Schädel hielt. Natürlich war ihm nicht entgangen, dass Thor den Mjölnir in der Hand hielt. Das Ding hatte Loki genau am Hinterkopf getroffen. Thors Ersatzwaffe lag neben ihm in den Boden gerammt.
"Du wirst mir nicht glauben, was mir gerade passiert ist. Also ich …"
Thor ließ Loki nicht ausreden, sondern warf den Mjölnir nach ihm, der den Feuergott durch die Wand zurück in den Thronsaal schleuderte. Lokis Stab rollte dabei weg. Zischend hielt sich Loki die Seite. Ihm waren mehrere Rippen weggeknackst. Es fühlte sich an, als wenn jeder einzelne Knochen in ihm pulverisiert wäre. Mit schweren inneren Verletzungen, zog sich der Feuergott ächzend mit einem Arm und letzter Kraft zu seinem Stab. Die Waffe rückte immer näher. Loki wollte sie nur noch holen und danach würde er sich aus dem Staub machen, bevor Thor ihn töten konnte, denn in einem direkten Zweikampf wäre er diesem Wahnsinnigen vollkommen unterlegen. Zum Glück hinderte ihn seine Verletzung am Bein daran, schnell zu Loki zu sprinten, bevor er ...
Weiter kam er mit seinen Gedanken gar nicht, denn ein Fuß trat auf die Hand mit der er sich nach vorne zog. Mit einem gemarterten Schrei presste Loki all den Schmerz aus seinen Lungen heraus. Thors Verletzung war durch die magischen Kräfte des Mjölnirs geheilt worden. Loki schaute zum Stab, der zum Greifen nahe lag. So nahe und doch so fern, dachte er ironisch.
Jetzt war alles aus. Auch wenn es in seinem Leben schon viele Situationen gegeben hatte, in denen er den Tod ins Auge sah, so hatte er es trotzdem geschafft sich in allerletzter Sekunde zu retten. Doch jetzt würde ihn nichts mehr retten können. Kein Odin würde kommen, um ihn aus der Patsche zu helfen. Er hatte auch keinen Plan mehr. Keinen Trumpf, durch den sich Loki letztlich retten konnte. Es war vorbei. Aus. Er schaute nach oben zu Thor, der ihn aus hasserfüllten Augen anstarrte.
Ob sich die Riesen auch so gefühlt hatten, als sie durch seine Hand starben?, fragte er sich beklemmt.
Thor hob den Hammer, wie es Geirröd vorhin bei ihm getan hatte, um den Feuergott mit einem Schlag zu zerschmettern.
Gerade als Loki dachte, jetzt sei es alles verloren, schaffte es sein Stab wie von einem lautlosen Ruf angelockt in seine Hand zurück. Mit einem Knall flog Thor nach hinten. Er fiel auf alle viere. Mjölnir krallte sich in die Erde, um den Rutsch zu verlangsamen.
Loki stand plötzlich wieder. Seine Gestalt war in ein feuriges Leuchten getaucht. In seinen Augen brannte ein göttliches Feuer in dem sowohl Zerstörung und Chaos als auch Leben und Schöpfung lag; ständige Bewegung, genau wie die Natur des Lokis selbst.
"Hiermit fordere ich dich zum Zweikampf heraus. Thor, Sohn des Allvaters Odin." Ein feuriges Echo begleitete Lokis Worte. Seine Haare wirbelten, wie von heißer Luft umspielt.
Thor lachte höhnisch. "Ein Zweikampf?! Mit dir?! Aber na gut. Ich akzeptiere." Mit einem Brüllen, welches selbst das Grollen eines Donners neidisch gemacht hätte, spurtete Thor auf Loki zu. Der machte weder Anstalten für einen Angriff, noch für eine Flucht. Selbst als er die Blitze aus Thors Mund riechen und den donnernden Zorn in seinen Augen sehen konnte, rührte er sich nicht.
"Na los! Lauf! Lauf weg, wie du es immer getan hast! Ich werde deine Feigheit schon noch enttarnen!" Mit diesen Worten, stieß Thor den harten Knauf von Mjölnir genau zwischen die Augen Lokis. Der Schlag ließ den Saal erbeben. Die Säulen stöhnten und ächzten unter der Macht des Thors. Sämtlicher Staub wurde von einer Druckwelle in die entlegensten Ecken des Saales gefegt. Ein Beben ging durch den Raum und brachte alles zum Schwanken. Doch Loki stand da. Er hatte sich um keinen Fingerdeut bewegt. Ein Rinnsal Blut lief sein Gesicht hinab. Seine Augen starrten abwesend ins Leere.
In seinem Inneren versuchte Loki zu verstehen, was gerade mit ihm geschah. Noch vor einem Moment war er dem Tode nahe gewesen und jetzt stand er Thor als ebenbürtigen Gegner gegenüber. Seit er diesen Stab in den Händen hielt, brannte ein neues Feuer in ihm. Ein Feuer des Kampfes. Lokis neue Waffe hatte aus ihm einen Krieger gemacht. Sie gab ihm neue Kraft. Hatte seine Wunden geheilt. Sie war Lokis Mjölnir. Eine Waffe die ihn zu einem ebenso gefürchteten Kämpfer werden ließ, wie Mjölnir Thor. Eine Waffe, die es nur für ihn gab und die einzig er bändigen konnte.
"Ich werde nicht mehr weglaufen", sagte Loki mit einer unnatürlichen Gelassenheit, obwohl er eigentlich Angst hätte verspüren müssen. Er packte den Schwertarm des verdutzten Thors und zog ihn langsam nach unten, um ihn dann mit einem Stoß seines Stabes ans andere Ende des Saales zu schleudern. Loki begann sich wieder zu verwandeln. Der Jüngling alterte wieder um etliche Jahre. Auf seinem jugendhaften Gesicht machte sich ein Bart bemerkbar, der schnell wuchs und anschließend ein prächtiger Vollbart war, der von magischen Winden umspielt wurde und dabei kaum noch etwas vom Gesicht preisgab. Die zarte bleiche Haut alterte, wurde wettergegerbt und dunkel. Auf seinem Bauch trat wieder das Symbol hervor, welches er seit Helheim trug. Das Symbol begann zu brennen. Weitere kleine Runen breiteten sich brennend darum herum aus und bedeckten bald den ganzen Körper. Loki hatte den Zorn eines Gottes gepackt, der besonders durch die brennenden Augen hervor stach. Auf dem Boden hatten sich Risse aufgetan, durch die ein feuriges Licht aus dem Inneren der Erde hervor schien und seine Gestalt noch zusätzlich beleuchtete. Irgendwo in weiter Ferne grollte ein Gewitter. Es würde in Bälde das Schloss erreicht haben. Der Kampf der Götter war damit eröffnet.
In Helheim stand die Todesgöttin und Tochter des Lokis mit gemischten Gefühlen auf ihren vereisten Balkon und starrte zu dem pechschwarzen Himmel, an dem es noch nie Wolken oder Sterne gegeben hatte und auch nie geben würde. Eisige Kälte war in das Ödland eingekehrt. Etwas oder jemand schien sämtliche Wärme aus ihrem Reich zu vertreiben, wahrscheinlich ihr Vater, der gerade gegen den Asen Thor kämpfte. Sie war wegen der Eislandschaft aber nicht traurig. Ihr war diese Kälte lieber als die trockene Ödnis, zu der ihr Vater sie überredet hatte. Jetzt kämpfte er im Reich der Riesen gegen Thor Odins Sohn um sein Leben.
"Was für ein Idiot", schnaubte sie verächtlich und verschränkte die Arme. "Er hätte wegrennen sollen, statt zu kämpfen. Es wäre auf jeden Fall die klügere Entscheidung gewesen." Obwohl sie immer noch einen Groll gegen ihren Vater hegte, so hatte sie ihn doch nie den Tod gewünscht. Man konnte von ihm halten, was man wollte, aber er hatte dafür gesorgt, dass sie an diesen trostlosen Ort verbannt wurde, statt wie von vielen verlangt öffentlich hingerichtet zu werden. Viele hatten sie damals tot sehen wollen, was heute nicht viel anders war. Man hatte sie mit faulem Obst und Steinen beworfen, als sie aus Asgard ging. Doch Loki hatte sie bis nach Helheim begleitet. Jeder der mit Steinen nach ihr geworfen hatte, dem hatte er den gleichen Stein zurückgeworfen. Jeder der sie bedroht hatte, dem hatte er eine Lektion erteilt. Und immer wenn es ihr schlecht gegangen war, so hatte er sie mit seinen Späßen und Geschichten zum Lachen gebracht.
All diese glücklichen Erinnerungen trieben ihr Tränen in die Augen, die ihr ein eisiger Wind von der Wange fegte. Noch bevor die Träne den Boden traf, gefror sie und zersprang schließlich am steinernen Geländer in viele kleine Teile. "Wieso, Vater? Wieso läufst du nicht weg? Wieso?!" Wenn Loki starb, war sie ganz allein gegen den Rest der Welt.
In Muspelheim, das wie Nifelheim als eine der beiden ältesten Welten galt, dort wo die Feuer der Schöpfung tobten und die Luft vor Hitze flimmerte, in den tiefsten Tiefen der Unterwelt, saß eine dunkle, furchteinflößende Gestalt auf ihrem Thron. Schrecklich war sie anzusehen, groß, dunkel und voller geballter Macht saß sie da, mit einem flammenden Schwert an der Seite, während die Urgewalt des Feuers in den tiefen Bodenspalten loderten. Plötzlich dröhnte ein Poltern durch die gewaltige Halle und ließ sie in ihren Grundfesten erzittern, und die Feuer in den tiefen Spalten loderten brüllend auf. Überrascht hob die riesige Gestalt auf den Thron den Kopf und schnupperte in die Atmosphäre. Rote Augen glühten auf, als Surtur, der Feuerriese und das älteste Wesen der Welt, erkannte, was gerade geschah.
Nun Loki, mein Freund..." grollte er mit tiefer Stimme, "nun kannst du zeigen, ob du es wert bist, der Gott des Feuers genannt zu werden."
Er stand auf und schwang sein flammendes Schwert. Die Feuer der Höhle loderten erneut auf und umfingen die Gestalt des Riesen, züngelten gierig an ihm entlang und hüllten ihn in einen hell strahlenden Glanz ein.
"Odin, du alter Narr..." knurrte Surtur triumphierend, "zitterst du schon in deinem goldglänzenden Heim? Ihr Asen, was ist nun mit euch? Die großen Säulen der Welt, die ihr sein wollt. Nun wird es sich entscheiden! Wisst ihr, was das bedeutet? Die Zeit des Endes nähert sich! Nun werden wir sehen, ob der Donner über das Feuer triumphieren kann..."
Er lachte dröhnend, als ein Donnerschlag die Erde erzittern ließ.

Die beiden Kämpfer standen sich gegenüber, zwei Giganten, zwei übermächtige Wesen, die nun den Kampf um die Schöpfung austragen würden. Auf der einen Seite war Loki, der Feuergott. Seine Erscheinung war furchteinflößend, eingetaucht in das infernalische Feuer seiner Macht, den Stab, das mächtige Artefakt, das ihm seine Kraft verlieh, schwingend. Auf der anderen Seite Thor, der gewaltige Gott des Donners, mit starkem Leib, dem vollen, roten Haar und dem feurigen Bart, über dem zwei helle, strahlend blaue Augen zornige Blitze ausschickten. In der Hand lag der Hammer Mjölnir, das Sinnbild von Thors Macht. Der Stiel schien etwas zu kurz geraten für den gewaltigen Kopf, in dem urmächtige Runen aufglühten. Die Waffe war eingehüllt in ein mächtiges blaues Leuchten, und weiße Blitze umzüngelten den Hammerkopf.
Thor fühlte die unglaubliche Macht des Hammers durch seinen Körper jagen. Er hatte beinahe das Gefühl als würde Mjölnir in seiner Hand vibrieren, bereits hungrig und voller Vorfreude auf den Kampf. Der Zermalmer lechzte nach Blut, und Thor glaubte für einen Moment, keine Waffe in der Hand zu halten, sondern ein lebendes Wesen.
Draußen vor dem Schloss jagte das Gewitter heran, und aus den Ritzen im Boden loderten brüllende Flammen empor. Doch es war nicht einfach nur ein Gewitter und Feuer. Es waren die gigantischen Kräfte, die nun aufeinandertrafen, Kräfte, welche die Weltenesche Yggdrasil in ihren Grundfesten erzittern ließen.
Ohne Vorwarnung nun sprang Thor mit einem Brüllen auf Loki zu. Dieser erwartete seinen Ansturm breitbeinig. Und als Hammer und Stab aufeinander prallten, war das Gewitter heran und ein gewaltiger Donner bebte durch die Atmosphäre, während der Boden zu expoldieren schien und gewaltige Feuerfontänen daraus hervor brachen.
Trotz Thors Kräfte schaffte Loki es, dem Schlag standzuhalten, wenngleich ihm die Anstrengung im Gesicht anzusehen war. Er stemmte sich gegen die Kräfte des Donnergottes und seine Füße krallten sich in den steinigen Boden. Gleich darauf duckte Loki sich blitzschnell weg und schlug seinem Gegner den Stab auf den Rücken, so dass Thor nach vorne fiel. Doch der Donnergott stolperte nur einige Schritte nach vorne, dann hatte er sich bereits wieder gefangen. Mit einem Knurren drehte er sich um und warf den Hammer nach Loki. Donnernd traf er den Körper des Feuergottes und warf ihn von den Füßen. Mjölnir machte einen Bogen und flog wieder in Thors ausgestreckte Hand zurück. Doch noch bevor dieser seine Waffe gefangen hatte, war Loki schon wieder aufgesprungen und wirbelte den Stab. Eine gewaltige Feuerfontäne erfasste Thor und schleuderte ihn meterweit durch die Luft, um krachend auf dem Boden aufzuschlagen. Er erhob sich, doch da wurde er schon von drei rasch aufeinander folgenden Feuerbällen getroffen, die ihn erneut in die Knie zwangen. Schwer atmend kniete er da und stierte zu Loki hinüber. Auf dessen nun wettergegerbten Gesicht zeichnete sich das verschmitzte Grinsen ab, das Thor nur zu gut kannte und hasste wie nichts anderes in der Welt.
"Dein dämliches Grinsen wird dir noch vergehen, du Ratte!" grollte er und erhob sich. In seinem Herzen loderte nur noch der Hass, der Hass gegen den Feuergott. Wie oft hatte dieser die Asen bereits betrogen und belogen! Immer wieder war ER es gewesen, der sie in Schwierigkeiten gebracht hatte. Doch damit sollte jetzt Schluss sein.
Er liebte seine Brüder und Schwestern unter den Asen, und besonders seinen Vater. Und Odins Schöpfung, die Welt der Menschen, war Thor und seinem Schutz anvertraut worden. Nun hatte er ein für alle Mal die Gelegenheit, den Urvater allen Unheils von der Welt zu tilgen.
Mit diesem Gedanken schwang er den Mjölnir über seinem Kopf. Lokis Gesicht erstarrte, als ein greller Blitz durch den Raum jagte und ihn mit voller Wucht traf. Unglaubliche Energie jagte durch seinen Körper und schien ihn beinahe von innen her zu zerreissen.
Ein Blitz traf die Mauern des Schlosses, und der gleich darauf folgende Donner ließ die Halle erzittern und an den Wänden knackten dürre Risse auf. Wieder flog Mjölnir und fegte Loki nun endgültig von den Füßen. Erneut krachte der Donner und ein Teil der Halle stürzte ein. Thor triumphierte.

Eine gespenstische Ruhe kehrte ein. Eine dicke Staubwolke, machte es für Loki unmöglich zu sehen wo sein Gegner stand, doch er wusste genau, wo Thor war. Er wischte sich mit dem Handrücken das Rinnsal Blut aus seinem Mundwinkel vom Gesicht. Dann hielt er seinen Stab fest in den Händen und beschwor einen flammenden Drachen aus dem Feuer hervor, welches es einzig und allein nur in seinem Herzen geben konnte. Fauchend durchstieß der Drache den Staub, zerteilte ihn wie eine scharfe Klinge, nur um anschließend brüllend vor Thor zu stehen, sodass der Putz regengleich von der Decke rieselte. Der Donnergott erwiderte mit dem Schrei eines Kriegers der den Tod nicht fürchtete. Mit einem mächtigen Schlag des Mjölnir zerschlug er den Flammendrachen. Loki rannte mit aller Macht auf seinen ewigen Rivalen zu, den Stab wie einen Speer haltend. Die Spitze traf auf den Kopf von Mjölnir. Eine erneute Druckwelle ging durch den Saal und brachte weitere Teile von ihm zum Einstürzen. Das alles wurde von einem Beben begleitet, das die neun Welten erfasst zu haben schien. Das Schloss würde bald einstürzen.
"Du bist dieser Macht nicht würdig. Du verdienst es nicht, den Mjölnir zu führen", sagte Loki mit zusammengebissenen Zähnen, während der Druck wie von Sinnen auf ihn einschlug und einen fest Stand schwierig machte.
"Wer soll es denn sonst sein?", fragte Thor zornig, dem der Druck dieser Kräfte nichts auszumachen schien. "Du etwa?"
Loki erwiderte auf diese Frage nur mit beharrlichen Schweigen, da er die Antwort nicht kannte. Aber er wusste nur zu gut, dass Thor dieser Macht nicht würdig war. Er hatte zu oft seine Unfähigkeit mit dieser Macht umzugehen bewiesen.
"Komm nur her, du Unhold", schrie Thor in dem Labyrinth aus Stein, in welchem er mit den anderen Asen den Fenriswolf Lokis Sohn gejagt hatten. Der Feuergott war ihnen dabei unauffällig gefolgt. Sie hatten die Fährte seines Sohnes über mehrere Wochen hinweg verfolgt, bis sie ihn in einem Irrgarten aus Stein gestellt hatten. Es war eine bergige Landschaft gewesen, wo sich Risse kleinen Rinnsalen aus Wasser gleich durch den Fels zogen. Thor und die anderen hatten sich bei der Suche nach dem Fenriswolf aufgeteilt. Zu Lokis Verdruss war es Thor gewesen, der den Fenriswolf gefunden hatte.
So sah Loki die Szenerie mit einer Mischung aus Entsetzen und Wut mit an. Sein Sohn war verletzt und ausgehungert. Er wäre in diesem Zustand für nichts und niemanden eine Bedrohung gewesen, doch Loki sah in Thors Augen nichts als Mordgier und Hass. Statt zu versuchen den Fenriswolf zu verstehen, wollte er ihn lieber tot sehen. Auch wenn Thor sich selbst das nie eingestehen würde, so fürchtete er sich doch vor dem Fenriswolf. Er fürchtete sich vor allem, was er nicht kannte und glaubte, dass es der beste Weg sei, diese Furcht lieber zu töten, statt sie zu verstehen.
Der Fenriswolf biss Thor aus reiner Verzweiflung in die fleischige Hand, worauf Thor ihn mit seinem Mjölnir gegen die felsige Wand schleuderte, dabei fielen einige kleinere Gesteinsbrocken auf dem Wolf, was Loki auf eine Idee brachte.
Er hob einen Stein auf, den er dann mit all seiner Kraft auf die Felswand gegenüber warf. Krachend lösten sich Unmengen aus Stein und Geröll von der Wand. Thor machte hastig einen Schritt nach hinten. Der Fenriswolf tat es ihm gleich. Die beiden mussten zusehen, wie die Lawine sie voneinander trennte. Thor brüllte wüste Flüche aus, während der Fenriswolf auf der anderen Seite davon humpelte, mit einem dankbaren Blick in Lokis Richtung.

Die beiden Kräfte rieben im Thronsaal aneinander, zwei Gletschern gleich. So mächtig, dass die beiden Götter dieser Urgewalt nicht mehr stand halten konnten. Sie trieben auseinander. Einige Momente blieben sie keuchend stehen. Loki rieb sich mit einem verschmitzten Lächeln den Schweiß von der Stirn. Er hätte nie im Leben gedacht, dass in ihm solch eine Kraft schlummern würde, die selbst dem mächtigen Thor ins Schwitzen bringen konnte.
Rumpelnd brach eine riesenhafte Gestalt brüllend durch den Schutt. Es war Geirröd, der sich nun verwundert umschaute. Sein Blick sprach unaussprechliches Entsetzen aus. "Was geht hier vor sich?! Hier stürzt ja gleich alles ein! Wollt ihr beide uns alle umbringen?!"
Loki und Thor schauten zu ihm hinüber.
"Da kann es wohl einer nicht ertragen, dass er inzwischen zu einer Randfigur degradiert wurde", meinte Loki spöttisch.
Der Feuergott tauschte einen schnellen Blick mit Thor aus. Obwohl sie kein Wort wechselten, dachten sie dasselbe. Loki beschwor eine mächtige Flammenfaust herbei, während Thor seinen Hammer nach dem Riesen warf. So wurde Geirröd mitsamt seinem Thron durch mehrere Wände und somit aus dem Schloss geworfen. Draußen starrte das Heer der Riesen verwundert zum Schloss hinauf und sie sahen ihrem kreischenden König und seinem Thron hinterher, wie sie in die Tiefe stürzten. Sie alle bedauerten das sehr. Geirröds Thron war immer so schön anzusehen gewesen. Um den Herrscher war es aber nicht schade.
Loki nutzte, dass Thor seinen Mjölnir gerade nicht bei der Hand hatte und rannte auf ihn zu. Als er ihm gegenüber stand, nahm er den ohnehin zu großen Thor Huckepack, nahm seinen Stab und zeigte mit der hölzernen Flamme auf den Boden. Mit einer gewaltigen Feuersäule beförderte Loki sich selbst und Thor zur mit zapfenbehangenen Decke, wo das spitze Eis den Rücken des hünenhaften Asen mehrfach durchbohrte. Schreiend fiel Thor zu Boden und drohte Loki unter sich zu begraben, doch der ließ den Donnergott los und ließ sich mit einem zweiten Flammenstrahl zur Seite wegtragen. Doch er verschätzte sich in der Kraft des Strahls, worauf er krachend gegen eine der vielen Säulen landete. Plumpsend fiel er zu Boden.
Thor lag bewusstlos da. Loki hielt sich lachend die Seite. Ihm tat alles weh, sein ganzer Körper schrie nach Ruhe und sein Gelächter verursachte ihm Schmerzen, doch das machte nichts. Er hatte Thor besiegt.
Krachend fiel die Säule, gegen die er sich lehnte auf ihn nieder und ließ sein Lachen verstummen. Mit einem schnellen Ruck, rollte Loki sich zur Seite weg. Die Säule durchschlug den Boden und fiel dann in eine endlos-schwarze Leere darunter. Loki sah ihren Sturz nach.
Eine leichte Beklemmung überfiel ihn. Geirröd hatte recht behalten. So langsam fiel das ganze Schloss in sich zusammen. Er musste sich beeilen, bevor alles in diesem schwarzen Schlund fiel.
Ein Schrei unterbrach seine Gedanken. Thor war wieder bei Bewusstsein und Mjölnir war auch wieder zu ihm zurückgekehrt. Jetzt sprang er todesverachtend über den Abgrund. Den blitzenden Mjölnir hoch erhoben, wie ein unheilvoller Prophet seines Unterganges. Der Hammer traf Loki an der Schulter und riss ihn zu Boden. Seine Knochen knacksten gefährlich. Er stöhnte unter dem gewaltigen Schlag auf. Thor war jetzt fuchsteufelswild. Er prügelte ohne Sinn und Verstand auf den Gott des Feuers ein. Unten. Oben. Links. Rechts. Und wieder von vorne. Loki versuchte den Schlägen auszuweichen und auf Abstand zu gehen, doch es war schwierig. Schließlich kam ihm Thors Wut zupass, mit der er ihn wieder gegen eine der Säulen schleuderte. Mit letzter Kraft hob Loki seinen Stab und versucht mithilfe einer erneuten Flammensäule den wütenden Thor auf Abstand zu halten. Lange werde ich das nicht mehr durchhalten, dachte er bei sich.
Thor schleuderte den Hammer zu Boden, wodurch sich der Abgrund in der Mitte des Saales nur noch weiter ausbreiten konnte. Tausende von Blitzen breiteten sich auf den Boden aus und suchten lebenden Wesen gleich nach ihrem Ziel Loki, der keine Möglichkeit sah sich vor den Blitzen zu verbergen. Der Feuergott konnte gegen die gewaltige Macht der Blitze nicht mehr ankämpfen, weshalb die Flammensäule erstarb. Doch selbst als er unter den tobenden Blitzen unkontrolliert zitterte, konnte er den Stab nicht loslassen – wollte ihn nicht loslassen. Sein Herz begann in einem unnatürlichen Tempo zu rasen. Als die zerstörerische Macht in seinem Körper nachließ und er verbrannt und rauchend zusammengesunken da lag, schritt Thor einem Henker gleich auf Loki zu. Seine Sicht war getrübt. Er fühlte sich seltsam von seinem Körper losgelöst. Die Hand welche ihn grob an der Kehle packte und hochzog, nahm er nur stumpf wahr. Selbst um sich zu wehren oder zu zappeln fehlte ihm die nötige Kraft. Loki war kaum noch fähig seine eigene Waffe zu halten. Die lauten Schritte Thors waren nichts als ein leises Wispern in der Stille. Auch wenn der Feuergott nur wenig sehen konnte, sah er den pechschwarzen Abgrund über den er schlaff baumelte. Der Donnergott hielt ihn von sich. Bereit ihn jede Sekunde in den Abgrund fallen zu lassen, in dem eigentlich der Mjölnir hätte verschwinden sollen.
"Thor", krächzte Loki. "Bring es hinter dich." Der Feuergott hörte den Donner trunken vom Sieg und angestachelt vom Kampf grollen. Blitze tanzten freudig zuckend über den Firmament.

Thor kam mit seinem Gesicht ganz nahe an Lokis, und seine blitzenden Augen funkelten den Feuergott wütend an.
"So, ich bin also des Hammers nicht würdig meinst du?" fauchte er. "Dein Volk hat nur Unheil und Chaos über die sterblichen Menschen gebracht, du Hund! Das Schicksal hat mich auserwählt, ihr Beschützer zu sein! Und das tue ich auch... Ihr beneidet uns um unsere Stellung, unsere Macht! Du und all die anderen Riesen, ihr würdet die Welt am liebsten brennen sehen, nicht wahr? Doch das werde ich niemals zulassen! Midgard und die Menschen sind Allvaters Schöpfung, und jeder, der es wagt diese Werke zu bedrohen, der wird meinen Zorn zu spüren bekommen! Den Fenriswolf werde ich mir auch noch schnappen. Oh ja mein Freund, du hast richtig gehört! Ich werde diesen reudigen Köter, den du deinen Sohn nennst, aufspüren und er wird meinen Hammer kosten! Er bedroht die Menschheit und die Götter, und das kann ich nie und nimmer zulassen! Und was ist mit deiner Tochter, deiner anderen Tochter, der Midgardschlange? Sie liegt im Meer und wenn ihr danach ist, so schlägt sie mit ihrem Schwanz um sich und die Wellen türmen sich haushoch. Wieviele Menschen haben deine Kinder und du auf dem Gewissen, wieviele, Loki?" Er brüllte und schüttelte den Feuergott dabei wütend. "Was haben sie euch getan? Sie sind unschuldig, verdammt dazu, der Puffer zwischen den Mächten zu sein! Du und deine Brut, ihr verdient nichts anderes als den Tod!"
Und mit diesen Worten holte er weit aus und schwang den Hammer, dessen runenbesetzter Kopf in einem gleisenden Blitz erstrahlte. "Dies also ist das Ende, mein Freund..." knurrte Thor, und in seinen Augen glänzte Triumph auf.

"Sie haben es nie gelernt ...", krächzte Loki. Thor hielt in der Bewegung inne und schaute Loki fragend an. "Kaum, dass sie ... dass sie auf der Welt waren, wurden sie von euch gejagt wie Tiere. Von Menschen, wie von Riesen und selbst die mächtigen Asen fürchten sie. Weißt du, was mein Sohn der Fenriswolf mich mal gefragt hat?" Loki schaute leise lachend zu den schwarzen Gewitterwolken die donnernd den Himmel verdeckten, damit Thor nicht die Tränen in seinen Augen sehen konnte. Er war bemüht seine Worte nicht zittrig vor Traurigkeit klingen zu lassen. "Vater, hat er gesagt, warum hassen sie mich? Was habe ich ihnen angetan, dass sie mich so sehr verabscheuen? Obwohl ich angeblich der Schlaueste sein soll, wusste ich auf diese Frage keine Antwort“, Loki gab ein röchelndes Lachen von sich, als wenn er seine eigene Dummheit verhöhnen würde. Krampfhaft ballte er die Hände zu Fäusten, als er den Grund für die Hatz auf seine Kinder nannte. „Wegen einer Prophezeiung jagt ihr sie, in der Hoffnung, dass sie niemals wahr werden wird. Doch hast du dich noch nie gefragt, ob es anders gekommen wäre, wenn ihr meine Sprösslinge mit Respekt behandelt hättet?" Thor bedachte den gefallenen Gott mit einem seltsamen Blick. Er war wohl über den sentimentalen Ausbruchs Lokis verwundert. Loki wollte aber sein Inneres nicht preisgeben. Erst recht vor seinem Erzfeind. Also zog er wieder seine spöttische Schale an."Aber was weißt du schon. Du bist Thor der Donner. Du bist in den goldenen Hallen von Asgard mit einem goldenen Schnuller geboren und aufgewachsen. Jeder hat dich geliebt.“ So sehr Loki auch versuchte sich hinter seiner Maske zu verstecken, so schaffte er es einfach nicht mehr sie aufrechtzuerhalten. Sollte Thor ihn doch für einen Schwächling halten. Im Angesicht seines eigenen Todes war Loki das egal. Es war Zeit für die Wahrheit. „Aber meine Kinder. Sie kennen nichts anderes als den Hass und die Angst. Sie haben nie gelernt, was es bedeutet geachtet zu werden. Nur eines meiner Kinder hat Odin dies zum Geschenk gemacht. Sleipnir. Würdest du ihn auch töten, weil er mein Kind ist? Was würde dich dann von den Riesen unterscheiden, frage ich mich?“
"Schweig, du Schlange!", schrie Thor, schüttelte Loki noch einmal kräftig und schnürte seine Kehle fester zu, um ihn zum Verklingen zu bringen.
Doch Loki schwieg nicht. Es musst einmal die Wahrheit gesagt werden, umso seltsamer da er – der Lügner – ihr Verkünder war.
"Wir beide beschützen die Menschen auf unsere eigene Weise. Doch im Gegensatz zu mir, sind deine Augen blind für die anderen Völker geworden, die du in deinem falschen Beschützerinstinkt ..."
"Ich sagte, dass du schweigen sollst!", schrie Thor in seiner Wut, dass sich seine Stimme fast überschlug.
Loki lächelte, denn er wusste, dass er dieses eine Mal die Wahrheit sprach und dass sie Thor mehr schmerzte als alle von ihm erdachten Lügen zusammen.
Doch egal wie Wortgewandt er war, dieses Mal gab es kein Entkommen für ihn. Sein Schicksal war besiegelt. Es war in dem Moment vorbei gewesen, als er Geirröd den Mjölnir übergeben hatte.
Loki schielte noch einmal zum Abgrund. Es hätte ihm nichts ausgemacht, ermordet zu werden. Aber das Thor sein Henker sein würde, ging ihm entschieden zu weit. Lieber richtete er sich selbst.
Mit aller ihm verbliebener Kraft stemmte Loki seine Füße gegen Thors gewaltige Brust. Er packte ihn beim Handgelenk. "Denk über meine Worte nach, du Tölpel", sagte der Feuergott noch, bevor er sich ein letztes Mal aus seinem Griff entwand. Mit einem festen Stoß, stieß er sich von der Brust des Donnergottes ab und ließ sich in die Tiefe fallen.
Loki umarmte den Abgrund mit ausgebreiteten Armen. Es gab nur eines was er im Nachhinein bereute. Er wäre gerne ein besserer Vater gewesen, der seine Kinder auch über seinen Tod hinaus geschützt hätte. Jetzt waren sie auf sich allein gestellt. Und dieser Gedanke machte Loki sehr traurig. Seine Tränen fielen mit ihm in den schwarzen Schlund.

The End
So hier das große Finale meines Gruppenprojekts mit Ragin bei Geschichten 123.

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Comments5
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MrNintMan's avatar
WOW!! Tolle Story:D:D:D


(Kommt selten vor,dass ich hier deutsche (oder auf Deusch geschriebene) Geschichten finde)